Der Applaus im riesigen Reitstadion der Soers ist noch nicht so recht verklungen – man meint, das Echo aus den nahen Wäldern noch zu hören: Da gibt Birgit Rosenberg, die neue Turnierchefin, die Pläne der Aachener CHIO-Macher bekannt. 2024 wird man den 100. Gründungstag des weltbekannten Reitturniers angemessen feiern, 2026 möchte man in der Soers die Weltmeisterschaften der Springreiter, der Dressurreiter und der Reiter mit Handicaps ausrichten. Das alles frei nach dem Motto der „Öcher“: Stillstand bedeutet Rückschritt.
Während meiner Woche 2023 in der Soers habe ich (leider, leider) den hässlichen Hinterhof des Aachener Sportparks kennenlernen dürfen: Beim alten Polizeipräsidium, das seit Jahren leer steht, weil es wohl mit Asbest verseucht ist, hat der Veranstalter mir und manch anderen Medienleuten einen Parkplatz zugewiesen. Meinen über viele Jahre angestammten Platz im Parkhaus beim Tivoli-Fußballstadion hat man lieber anderen genehmigt. Quasi degradiert zu werden, darüber war ich „not amused“. Immerhin weiß ich jetzt aus eigenem Erleben, wie sinnvoll es wäre, wenn man den Ausbau und die Modernisierung des Sportparks am Rand der Innenstadt möglichst bald verwirklichen könnte. Die Pläne dazu gibt es bereits – einzig die Frage nach dem lieben Geld ist noch offen: Frei nach dem alten Karnevalsschlager „Wer soll das bezahlen? Wer hat soviel Geld?“
Über die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen des größten Reitturniers der Welt wissen wir noch nichts. Der Stichtag dazu liegt Mitte Juli 2024. Wer einmal einen Blick werfen konnte in das Museum des CHIO im Hauptgebäude der Soers, der weiß über die Anfänge des Aachen-Laurensberger Rennvereins. Der Besuch wird zu einer wertvollen Geschichtsstunde. Also wären die Aachener – nicht nur seine Turniermacher – klug beraten, sich im nächsten Jahr ihrer Geschichte zu erinnern und bewusst zu werden. Denn dieses Turnier war immer auch eine politische, eine soziale und eine wichtige wirtschaftliche Veranstaltung.
Der Karlspreis, der Orden wider den tierischen Ernst und das Reitturnier – drei Säulen der Stadtgeschichte dieser alten Kaiserstadt an der Grenze zu Belgien und den Niederlanden. So war Aachen immer auch ein Projekt des Friedens mitten in Europa. Und ein historischer Ort für unseren Sport mit den Pferden. Das hat man gerade in der vergangenen CHIO-Woche wieder gesehen.
Schade übrigens, dass es die 1990 in Stockholm begründeten Weltreiterspiele nicht mehr gibt. Ich war und bleibe ein Fan dieser Idee. Leider haben die Amerikaner mit ihrer schlampigen Organisation 2018 in Tryon/South Carolina dieser guten Idee den Todesstoß versetzt. Ein Desaster in Sachen Organisation und Vorbereitung; man denke nur an das Chaos, das zum Abbruch des Distanzreitens geführt hat. Inzwischen gehört diese Sparte gar nicht mehr zur FEI, ebenso wenig wie die Westernreiter.
Keine Frage, die mit Abstand besten Weltreiterspiele zwischen 1990 und 2018 haben die Aachener ausgerichtet: 2006 blieb man unterm Strich sogar in den schwarzen Zahlen. Ein toller Erfolg, wenngleich Frank Kempermann, damals schon an der Spitze des Turniers, mir hernach sagte: „Dieses 2006 hat mir einige graue Haare eingebracht!“
Dieser Tage, kurz nach dem Ende des „Tschio“ 2023, hat Birgit Rosenberg offiziell erklärt: „Wir bewerben uns bei der FEI um die Ausrichtung der Weltmeisterschaften 2026.“ Gemeint sei damit das Springreiten, das Dressurreiten und die Para-Dressur. Einen besseren Ausrichter, einen mit mehr Erfahrung und stärkerem Background was Organisation und Finanzierung angeht, kann ich mir nicht vorstellen. Bleibt zu hoffen, dass der Uhrenkonzern Rolex bereit ist, tief in seine Tasche zu greifen, um dieses Riesenevent überhaupt möglich zu machen. Gefordert sind aber auch die Stadt Aachen und das Land Nordrhein-Westfalen, die bereits 2006 namhafte Beiträge aus Steuergeldern bewilligt haben. Anders wären die Reiterspiele gar nicht machbar gewesen.
Ich bin sehr gespannt, wie sich die Dinge in der Soers entwickeln. Unendlich viel Zeit bleibt übrigens nicht. Drei Jahre für die bauliche Modernisierung des Sportparks erscheinen mir ohnehin recht kurz. Wir müssen ja nicht gleich an den Berliner Flughafen, die Elbphilharmonie oder Stuttgart 21 denken. Andersherum wird ein Schuh daraus: Die Reiter-WM 2026 nach Aachen vergeben, ist genau der richtige Impuls, um in der Soers die Zukunft zu gestalten. Und genau darauf kommt es an.