Goldmedaille für Britin Charlotte Dujardin – erstmals seit 1956 keine Einzelmedaille für deutsche Reiter. Die Reiter haben nahe am Wasser gebaut.

Mancher weint, weil er das lang erträumte, olympische Edelmetall endlich in Händen hält. Andere weinen, weil sie ihre bewährten alten Pferde aus dem Sport verabschieden müssen, wieder andere kriegen feuchte Augen, weil ihre Cracks – trotz oder gerade wegen olympischem Lorbeer – zum Verkauf stehen und sie nie wieder in deren Sattel steigen dürfen. Gestern, am letzten Tag der Reitwettbewerbe im Greenwich Park, war vielen Könnern des als elitär verrufenen Dressursports zum Heulen zumute. Auch die neue Olympiasiegerin Charlotte Dujardin heulte nach ihrem Sieg auf dem zehnjährigen Valegro.

Gegen 14.30 Uhr Ortszeit hatte Anky van Grunsven, dreifache Olympiasiegerin aus den Niederlanden, einige Mühe, die Fassung zu wahren. Ihr Hannoveraner Salinero, mittlerweile 18 Jahre alt, hatte gerade seinen letzten Wettkampf beendet:

„Ich verdanke diesem Pferd zwei Goldmedaillen, die von Athen und die von Hongkong. Die Kür wird seine letzte Prüfung“

hatte die 48-Jährige vor Tagen angekündigt. Als es gestern so weit war – wer mag ihr das Tränchen verdenken, zumal es in der Szene Kritik daran gegeben hatte, dass sie dem 18-Jährigen Wallach noch einmal einen so schweren Wettkampf abverlangt hat.

Auch die beiden britischen Stars, Charlotte Dujardin und ihr Chef Carl Hester, war gestern im Greenwich Park nur noch zum Heulen zumute: Einerseits waren da die Einzelmedaillen in Gold für Dujardin und Bronze für Laura Bechtolsheimer nach dem Teamgold. Andererseits die Tatsache, dass beide Pferde, der elfjährige Hengst Uthopia wie auch der zehnjährige Wallach Valegro, von heute an zum Verkauf stehen: Die Besitzer wollen Kasse machen, was im internationalen Pferdesport nicht selten ist.

Carl Hester, ein witziger und zugleich cooler Profi, sagte vor Tagen: „Wir wissen, dass beide Pferde auf den Markt kommen. Dass wir einen Sponsor finden, der sie kauft und uns weiter reiten lässt, ist unwahrscheinlich.“ In der Szene wird gemunkelt, steinreiche Spanier, deren Tochter den von Anky van Grunsven ausgebildeten Hengst Painted Black reitet, würden zumindest eines der britischen Toppferde kaufen. Es geht um siebenstellige Beträge.

Verständliche Tränen gibt’s seit Tagen bei den deutschen Dressurdamen Helen Langehanenberg, Kristina Sprehe und Dorothee Schneider. Ihre Silbermedaille in der Mannschaft widmeten sie zurecht Holger Schmezer, ihrem im April unerwartet verstorbenen, langjährigen Bundestrainer. „Wenn er uns im Himmel zuschaut, wird er gewiss stolz auf uns sein“, sagte die sichtlich bewegte Helen Langehanenberg.

Und Dorothee Schneider, Berufsreiterin aus dem pfälzischen Framersheim bei Mainz, wurde noch aus einem anderen Grund wehmütig ums Herz: „Die Kür wird mein letzter Wettkampf sein mit Diva Royal, denn künftig wird die Stute wieder von der Tochter ihrer Besitzerin geritten.“ Lange vor London war das vereinbart, doch wenn man Silber gewonnen hat, wenn der Abschied vom Pferd naht, kriegen selbst coole Profis weiche Knie.

Enttäuschte Gesichter gab’s beim deutschen Trio und ihren Trainern gestern, als klar wurde, dass die fünfköpfige Jury sich auf den Zweikampf zwischen drei Briten und einer Niederländerin konzentrierte. Alle drei deutschen Pferde wurden, so der Eindruck von Equipechef Klaus Roeser, „unter Wert beurteilt – das war ärgerlich“. Am Ende blieben die achtbaren Plätze vier, sieben und acht. Die historische Statistik sagt: Seit 1956 haben deutsche Dressurreiter stets Einzelmedaillen bei Olympia geholt – gestern zum ersten Male nicht. Dazu der Bundestrainer:

„Die Zeiten haben sich geändert in unserem Sport, aber meinen Mädels gehört die Zukunft. Wir reiten bald wieder ganz oben.“

Jonny Hilberath, der Bundestrainer, wird dann aber nicht mehr verantwortlich sein. Der 57-jährige Berufsreiter, der im April buchstäblich über Nacht die Nachfolge seines verstorbenen Freundes Holger Schmezer antreten musste – im niedersächsischen Scheeßel führt er seinen eigenen Turnier- und Ausbildungsstall: „Ich kann meinen Betrieb nicht im Stich lassen, meine Pferde, meine Schüler und Kunden“, deshalb, werde er sein Amt zum Jahresende abgeben.

„London hat riesig Spaß gemacht, wir waren ein echtes Team und ich bin stolz auf meine Mädels, die Silber gewonnen haben.“

Alsbald wird Monica Theodorescu, die dreifache Mannschafts-Olympiasiegerin, seine Nachfolge antreten. Der Reiterverband und die Betroffene zieren sich noch, die Entscheidung kundzutun aus verständlicher Rücksicht gegenüber Jonny Hilberath.

Wie man seinen schmerzlichen Abschied vom olympischen Sport nach vierzig Jahren witzig und weise erklärten kann, hat der kanadische Springreiter Ian Millar (65) gezeigt. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, in vier Jahren in Rio seine elften(!) Spiele zu bestreiten, sagte er lachend: „Mein Pferd kann ja schlecht alleine dorthin reisen, also werde ich es wohl begleiten müssen.“