Von 13.15 bis 17.30 Uhr – so lange hat er gedauert, der heutige Aufgalopp in die 37. EM der Springreiter auf dem Ippodromo San Siro von Mailand. 85 Pferde wurden gesattelt aus 24 Nationen, 15 Teams waren am Start. In Führung liegen die Schweden vor den Eidgenossen und der Equipe von Otto Becker. In der Einzelwertung liegt der Schwede Jens Fredricson an der Spitze, gefolgt von Martin Fuchs, dem Vize-Europameister von Riesenbeck 2021, und Philipp Weishaupt. Dahinter Steve Guerdat, Julien Epaillard und Henrik von Eckermann.
Offensichtlich hat der Italiener Uliano Vezzani, einer der besten Parcoursbauer der Welt, gleich zum Auftakt eine happige Aufgabe gestellt: von den 85 Pferden schieden zwei aus, darunter die zwölfjährige Dacara unter Cassandra Orschel, deutsche Derbysiegerin von 2022. Nur 18 Pferde blieben fehlerfrei. Noch sind die gebrauchten Zeiten nicht umgerechnet in Strafpunkte, wie es die Regeln vorschreiben, aber soviel ist sicher: Entschieden ist noch nix – alle liegen nah beieinander. In 24 Stunden, also wenn morgen die zweite Runde absolviert ist, wissen wir mehr darüber, wohin die sportliche Reise bei dieser EM geht.
Für Otto Becker und das deutsche Lager begann die EM mit einem herben Dämpfer, ja fast mit einem Schock: Gerrit Nieberg und sein zwölfjähriger Ben, die Sieger von Aachen 2022, fanden keinen Rhythmus, kamen mit vier(!) Abwürfen ins Ziel, mussten am Ende mit Rang 63 vorlieb nehmen. Gerrit sagte klar und trocken: „Das hatte ich mir natürlich völlig anders vorgestellt.“ Die versierte und stets zuverlässig agierende Jana Wargers und ihr Limbridge agierten erwartet stark, mussten nur einen ärgerlichen Abwurf hinnehmen, liegen jetzt auf Rang 21: „Mich ärgert der Fehler natürlich, aber insgesamt bin ich mit meinem Pferd auch heute wieder sehr zufrieden!“
Als Philipp Weishaupt mit seinem neunjährigen Zineday über die Ziellinie galoppierte, stahlten die deutschen Fans wieder: Eine feine Nullrunde und Platz drei. Capeau! Pilipps Kommentar: „Mein Pferd ist erst neun Jahre alt, also wollte ich nicht zu viel Tempo machen, um das Ding hier zu gewinnen.“ Ich sag‘ mal so: Diese weise Taktik eines erfahrenen Könners wird sich in den kommenden Tagen ganz bestimmt auszahlen. Sein Stallkamerad Christian Kukuk mit Mumbai schlug sich achtbar, liegt nach einem Klötzchen auf Platz 17.
Marcus Ehning und sein Stargold, als Rückgrat der Equipe am Ende eingesetzt, mussten leider auch einen Abwurf hinnehmen: „Der geht ganz klar auf meine Kappe!“ Der Altmeister aus Borken redet wie immer nicht lange drum herum – er sagt, was Sache ist. Und weiter: „Gerrit tat mir leid, das war natürlich kein guter Anfang für die Mannschaft. Aber Jana hat wieder eine tolle Runde geritten.“
Otto Becker sagt: „Wir hatten uns den Anfang mit Gerrit etwas anders erhofft. Aber die anderen drei haben wirklich tolle Runden geritten: Philipp überragend mit seinem jungen Pferd. Jana und Marcus mit Flüchtigkeitsfehlern. Jetzt liegen wir noch in Reichweite zu den Schweden und den Schweizern. Nachher werden wir uns im Stall zusammensetzen und analysieren. Wir könnten die Startreihenfolge noch verändern. Ob wir das machen, muss man sehen.“
Mein Bick auf die anderen: Den Eidgenossen sieht man förmlich an, was sie sich vorgenommen haben für diese EM als Titelverteidiger von Riesenbeck 2021: Für Fuchs & Co, nochmal sei daran erinnert, geht es diese Woche in Mailand nur um eines – das ihnen noch fehlende Ticket für die Teilnahme an den olympischen Spielen in Paris! Den guten Anfang haben sie gemacht – aber morgen und am Freitag müssen sie stark bleiben, dürfen sich keine Schwäche leisten.
Apropos Schwäche. Ben Maher und sein Faltic liegen nach einem Abwurf nur auf Platz 31, Simon Delestre und sein Frontenis Z nur auf Rang 48 nach drei Abwürfen. Olivier Philippaerts und sein Miro nur auf 55. Maikel van der Vleuten, zu den Topfavoriten gezählt, liegt mit O’Bailey nur auf 58, gefolft von Sergio Alvares Moya, dem Spanier, mit Puma auf 59.
Kurz der Blick auf die Mannschaftswertung: Hinter Schweden, Schweizern und Deutschen folgen die Iren, die überraschend starken Österreicher, Italiener, Dänen und Franzosen. Dann kommen Belgier, Briten und die Spanier. Die Niederländer hängen auf Rang 12 hinten dran, dahinter noch die Ungarn, Portugiesen und das Schlusslicht Polen. Morgen muss das gesamte Feld nochmal ran – am Freitag allerdings, wenn’s um Titel und Medaillen geht, dürfen nurmehr zehn Equipen antreten. So hart sind da die Bräuche.
Kurz noch was zum Preisgeld: An der Spitze gab’s 12 500 Euro für Fredericson, 10 000 Euro für Fuchs und 7500 Euro für Weishaupt. Alles in allem 50 000 Euro. Morgen und am Freitag gibt’s für den Nationenpreis insgesamt 220 000 Euro. Das Finale am Sonntag ist mit weiteren 200 000 Euro dotiert, davon 50 000 für den Sieger. Für die eigentliche EM der Einzelreiter liegt nochmal allerhand bereit: Der oder die neue Titelträger*in bekommt 34 000 Euro, Silber 20 000 Euro und Bronze 18 000 Euro.
Wer’s ganz genau nachlesen möchte, dem sei empfohlen: www.longinestiming.com/Equestrian und/oder www.milanojumping23.com