Dieser Geländetag bei der 36. Europameisterschaft der Buschreiter in der Normandie war leider keine Werbung für die Vielseitigkeit. Bei schlechtem Boden nach starken Regenfällen erwies sich das Geläuf als ähnlich schlecht wie bei der WM von 2014 an gleicher Stelle. Michael Jung, der Führende nach der Dressur, schied durch einen Sturz am Einsprung zum letzten Wasser, dem Sprung 24, aus. Pferd und Reiter sind ok. An der Spitze des Feldes liegen die beiden Britinnen Rose Canter und Kitty King, dahinter Sandra Auffarth auf dem Bronzeplatz. Auch das britische Team führt mit 98,7 Punkten erwartungsgemäß vor Deutschland (126,0), Frankreich (126,2) und Irland (136,4).

Im Jahr 2009 hat Michael Jung mit seinem Sam bei der EM in Fontainebleau die internationale Bühne der Buschreiterei betreten – mit der Bronzemedaille in der Einzelwertung. Heute ist der 41-Jährige zum ersten Male in seiner Karriere in einem großen Championat ausgeschieden. In seiner ersten Stellungnahme vor Ort sagte Michael Jung: „Bereits am ersten Tiefsprung hatten wir beide einen Rumpler. Leider war der Boden heute nicht gut. Am Hindernis 24 ist FischerChipmunk gestolpert, konnte sich leider nicht mehr aufrappeln. An dieser Stelle war der Boden durchaus gut.“

Sandra Auffarth, die mit ihrem Viamant du Matz jetzt durchaus auf Medaillenkurs liegt, sagte: „Leider war der Boden heute noch schlechter als gedacht. Das war schade. Wenn die Pferde landen und der Boden geht weg, werden sie immer unsicherer. Also muss man das Tempo herausnehmen.“ Sie sei dennoch sehr zufrieden mit der Leistung ihres Pferdes. Ähnlich äußerte sich der Einzelreiter Jerome Robine, Debütant auf der internationalen Bühne: „Der Boden hat mir von Anfang an Probleme bereitet. Also hab‘ ich die Uhr dann ausgeschaltet und mich nicht mehr an die Order der Trainer gehalten. Jetzt bin ich erleichtert, dass ich mit meinem Pferd gut ins Ziel gekommen bin.“

Der Blick auf den Ergebniszettel, der noch nicht offiziell ist, weil noch allerlei Details geklärt werden müssen, zeigt: Nur ein einziges Pferd, nämlich der elfjährige Grafallo, ein Sohn von Birkhofs Grafenstolz, schaffte unter Rosalind Canter, der Weltmeisterin von 2018, eine fehlerlose Runde innerhalb der Zeit von 8,8 Minuten. Canter hat morgen, sofern ihr Pferd den Vet-Check passiert, die Chance, zum ersten Male Europameisterin zu werden. Sie hat jetzt nur 21,3 Strafpunkte. Platz zwei belegt mit 30,8 Punkten ihre Teamkameradin Kitty King auf Vendredi. (Ausgerechnet die Tochter der Frau, die 2010 versucht hat mit ziemlich fiesen Mitteln und einer Nacht-und-Nebelaktion Michael Jungs Sam von Sponsoren kaufen zu lassen.)

Zur Stunde sind von den 56 gestarteten Pferden noch 39 in der Wertung – alle anderen wurden disqualifiziert oder ihre Reiter gaben auf. Ausgeschieden ist übrigens auch der stark eingeschätzte Engländer Tom McEwen, Silbermedaillengewinner von Tokio. Ebenfalls ausgeschieden ist Nicolai Aldinger auf Timmo – beide hatten in Haras du Pin nicht ihre besten Tage.

Auf Rang sechs liegt vor dem morgigen Springen Christoph Wahler mit seinem Carjatan mit jetzt 41,5 Punkten. Im Gelände musste er ohne Hindernisfehler nur 13,2 Zeitfehler hinnehmen. Jerome Robine belegt mit 44,4 Punkten jetzt den Rang 10, ein starkes Resultat.

In der Teamwertung schieden alle drei Aktiven für Österreich aus. Auch im italienischen Team erreichten zwei Aktive das Ziel nicht. Die Eidgenossen liegen auf Platz fünf, dahinter die Belgier, die Schweden und die Niederländer.

Mein erstes kurzes Fazit an diesem Abend: Sandra Auffarth und ihr Opgun Louvo haben anno 2014 in der Normandie die Weltmeisterschaft gewonnen – vielleicht schafft sie ja morgen mit dem Franzosen Viamant du Matz den großen Coup oder zumindest eine Medaille. In der Mannschaftswertung trennen Deutschland und Frankreich nur 0,2 Punkte. Mit etwas Glück sollte Silber möglich sein.

Michael Jung, 2014 Vize-Weltmeister auf Rocana, muss leider zuschauen – eine für ihn wohl ziemlich neue Erfahrung. Ich meine, angesichts der Tatsache, dass man im Haras du Pin trotz der Verkürzung des Kurses und der Herausnahme von Sprüngen keinen durchweg erfreulichen Wettkampf gesehen hat, erscheint mir dieser Platz in der Normandie als völlig ungeeignet für große internationale Wettkämpfe. Morgen, wenn diese 36. EM entschieden ist, gilt es, diese kritische Bilanz weiter zu vertiefen.