In diesen Minuten geht in Riesenbeck die 31.Dressur-EM seit 1963 zu Ende. Es ist gegen 17.30 Uhr an diesem 10. September. Der große Sport bewegt die Gemüter: Bundestrainer Hansi Flick ist entlassen. Und die deutschen Basketballer sind neuer Weltmeister! Hut ab! Jessica von Bredow Werndl und ihre Dalera haben genau ein Jahr vor Olympia in Paris den britischen Angriff gekonnt gekontert: Am Freitag ihr Sieg im Spezial, heute Nachmittag ihr Sieg in der Kür – wenn auch nur knapp mit 92,818 zu 92,379 Prozentpunkten. Alles in allem waren die Tage von Riesenbeck eine dicke Werbung für die Dressurreiterei, perfekt organisiert von Ludger Beerbaum und seinem vielköpfigen Team. Chapeau!

Wer diesen finalen Sonntag im Tecklenburger Land bei Münster verfolgt hat, dem konnte nicht verborgen bleiben, dass die spätsommerliche Hitze von Tier und Mensch allerhand abverlangt hat. Auch Dalera lief heute nicht fehlerfrei, hatte einen Schnitzer in den Zweier-Wechseln und nicht gar so viel Zug und Dynamik in Piaffen und Passagen. „Littie“ Frys Hengst Glamourdale patzte durch ein Angaloppieren im starken Trab. Quantaz unter Isabell Werth gab alles zur Musik von „It’s a hard day!“ Wie wahr. Am Ende Platz fünf für die Dressurkönigin, die ihren verdienten Titel an Jessica verloren hat.

Aller Ehren wert: Rang neun für Frederic Wandres mit Bluetooth. Stark zu beachten aus meiner Sicht: Isabell Freese, die für Norwegen den elfjährigen Hengst Total Hope von Totilas mal Blue Horse Don Schufro vorstellte; Mitbesitzer ist bekanntlich Paul Schockemöhle, der zur EM nach Riesenbeck gekommen war. Am Ende Platz zehn für diesen auffälligen Hengst. Auffällig auch die Französin Pauline Basquin vom Cadre Noir in Saumur auf dem 13-jährigen Wallach Sertorius von Sandro Hit und einer Mutter von Zangersheide.

Mein vorläufiges Fazit dieser EM: Die Niederlage in der Teamwertung gegen die Briten ist für mich mehr als ein Ausrutscher! Monica Theodorescu, die Bundestrainerin, lobte ihr Quartett, zeigte sich „sehr zufrieden mit allen, insbesondere auch mit Matthias Rath und Thiago, die sich enorm verbessert haben und weiter verbessern werden“. Für mich ist das ein Fingerzeig ein Jahr voraus: Bei Olympia in Paris brauchen wir drei starke Paare, die den Kampf um Teamgold und Einzelgold annehmen und sich während der Spiele zu steigern vermögen. Nur so kann die Verteidigung der beiden Titel von Tokio 2021 gelingen. Und genau das muss das Ziel sein.

Wie schwer das werden wird, sieht man an anderen Beispielen: Die einst so dominanten Niederländer haben auf dem internationalen Dressurviereck nichts mehr zu bestellen. Die Amerikaner auch nicht. Die Franzosen mühen sich redlich, ob’s hinreicht, werden wir sehen. Auch die Schweden schwächeln. Wie’s mit den Dänen weitergeht, die den Ausfall von Katherine Dufour kompensieren müssen, werden wir sehen. Sie sind jedenfalls immer für eine Medaille gut, wie wir in Riesenbeck gesehen haben.

Vor Paris gibt’s jedenfalls kein Championat mehr, das den Namen verdient. Die Weltcupfinals 2024 in Riad taugen dazu nicht. Vielleicht setzen ja auch einige Aktive mal ein deutliches Zeichen – und bleiben Riad fern! Nicht nur aus sportlichen Gründen. Den Fingerzeig in Richtung Paris werden wir gewiss in der Soers sehen. Bis dahin ist’s noch ein langer Weg. Schaun mer mal, wer in den Hallenweltcup einsteigt, wer sich der Global Tour verschreibt, wer versucht, seinen Pferden in erster Linie Schonung zu geben. Tatsache bleibt: Nur wer es schafft, mit den Kräften seiner Pferde professionell umzugehen, hat eine Chance, sich vor dem Schloss von Versailles unsterblich zu machen.