Aus diesem Holz sind die wahren Kämpfer geschnitzt! Christian Kukuk, 33 Jahre alt, die Nummer zwei im Springstall von Ludger Beerbaum, ist nicht frustriert, weil dieser Freitag, der 1. September, für die deutsche Equipe bei der 37. EM ein schwarzer Freitag war. Nein, er sagt im Brustton der Überzeugung gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa): „Wenn ich am Sonntag Doppel-Null reite, bin ich ganz nahe an den Medaillen.“ Und dann sagt er noch: „Es ist noch nicht zu Ende! Wir greifen nochmal an!“ 

Um 17 Uhr heute Nachmittag steht für die 25 Finalisten dieser EM, die 1957 mit einem Sieg des legendären Hans Günter Winkler auf Halla und Sonnenglanz begann, die nächste „Prüfung“ an: der Vet-Check. Schaut man ganz genau hin, dann sieht man, dass nach der eigentlichen Reihenfolge der qualifizierten 25 Pferde deren sechs fehlen. Zurückgezogen!

Von Jana Wargers wissen wir es bereits seit gestern Abend. Mittlerweile haben auch der Ire Shane Sweetnam und der Schweizer Martin Fuchs zurückgezogen, außerdem die drei Nachrücker Wilm Vermeir, Bryan Balsiger und Maikel van der Vleuten. Vielleicht kommt ja bis 17 Uhr noch der eine oder andere dazu. Wir werden sehen…

An dieser Stelle kommt Ludger Beerbaum ins Spiel. Während sein bienenfleißiges Team daheim in Riesenbeck die Dressur-EM vorbereitet, die am Mittwoch mit der ersten Hälfte des Grand Prix beginnt, schaute der Chef auf dem riesigen Ippodromo San Siro von Mailand nach seinen Jockeys. Der 60-Jährige gab einmal mehr ein gutes Beispiel an Fairness, als er sagte: „Es ist sehr schade für das deutsche Team. Aber die irische Silbermedaille mit Eoin und Mila sowie Christians und Philipps Runden waren große Klasse. Alle drei sind für das Finale qualifiziert. Das ist wirklich Klasse.“

Wenn man es ganz penibel nimmt, dann hätte Ludger Beerbaum einmal mehr darauf verweisen können, dass ja auch ein gewisser Henrik von Eckermann sein Schüler ist. Gestern mal wieder Gold für die Schweden, die jetzt alles in einem sind: Olympiasieger, Weltmeister und Europameister – in wechselnder Besetzung. Und wenn man sieht, wie der zwölfjährige Markan Cosmopolit unter Jens Fredricson aktuell springt, dann tät’s mich nicht wundern, wenn der morgen ganz cool zwei fehlerfreie Runden dreht und sich den Titel holt. Sein Bruder Peder war übrigens 2017 in Göteborg Europemeister.

Kein Zweifel, die besten Geschichten schreibt der Sport selbst. Auch wenn’s Niederlagen sind. Denken wir an die deutsche Leichtathletik. Vergangene Woche gab’s zum ersten Male in der Sportgeschichte für unsere Läufer, Springer und Werfer keine einzige Medaille bei einer WM. Das war ein Debakel. Nun werden logischer weise die Schuldigen gesucht. Ob unsere Springreiter heuer in Mailand noch Edelmetall gewinnen, wird sich morgen zeigen. Bei Olympia in Tokio und bei der WM in Herning sind sie leer ausgegangen. Und was wird in Paris in knapp einem Jahr?

Wir müssen bedenken: Bei Olympia hat jede Equipe nur drei Reiter*innen. Ein Streichresultat gibt es  nicht mehr. Wenn einer ausfällt wie gestern beispielsweise Stargold, dann wäre das Team gesprengt, jegliche Medaillenchance dahin. Also ist der Druck auf die drei Akteure enorm. Aus heutiger Sicht sehe ich den dann zehnjährigen Zineday unter Philipp Weishaupt in Paris. Auch Christian Kukuk besitzt Chancen, sein Mumbai wäre erst zwölf. Also im besten Alter. Jana Wargers Limbridge ist kommendes Jahr 15-jährig, für mich aber eine Bank; gestern allerdings wurde Jana doch nervös, nachdem Marcus Ehning ausgestiegen war. Schade. (Mitbesitzer dieses Pferdes ist übrigens Jos Lansink, der Coach der Niederländer.)

Seien ehrlich und selbstkritisch: Manch einer und manch eine reisen kommende Woche lieber nach Spruce Madows in Calgary, um dort die Rolex-Millionen zu gewinnen. Das gilt, damit kein Missverständnis aufkommt, auch für andere Nationen. Harry Smolders beispielsweise, der Niederländer, schont sein Toppferd Monaco für die Global Tour – als 56. ist die EM für ihn gelaufen. Die Niederländer wurden nur Siebter. Die Briten schickten ein schwaches Quartett, dem Scott Brash fehlte. Die Franzosen ritten nicht ihre besten Pferde: Rang acht. Die Belgier schieden aus, wurden nur Elfter.

Und das Gegenbeispiel? Die Österreicher, angeführt von Max Kühner, haben Bronze geholt, haben sich für Paris qualifiziert, haben die Ära Hugo Simon hinter sich gelassen. Simon machte den Spanier Moya beritten mit Puma HS, einen zehnjährigen Wallach. Am Ende nur Rang 66. Die aufstrebende Katharina Rhomberg ist übrigens eine Schülerin von Kurt Gravemeier.

Wie sagt da der philosophisch angehauchte Schwabe: „So isch’s no au wieder!“ Zu deutsch: Alles hat zwei Seiten! Bis später.