Markus Kölz vom Burkhardshof im Remstal hat mit riskantem Ritt im Stechen das Hallenchampionat für die baden-württembergischen Springreiter gewonnen. Sein dritter Sieg nach 2013 uns 2015. Sein 15-jähriger Dornadello ist das, was man ein Verlasspferd nennen könnte. Deshalb konnte sein Reiter und Ausbilder „alles auf eine Karte setzen“. Das mit dem „Alles-auf-eine-Karte-setzen“ ist ja überhaupt eine Grundtugend im Spitzensport. So konnte gestern Abend auch Hansi Dreher die erste Qualifikation zum German Master gewinnen. Heute, am späten Abend, fällt die Entscheidung. Mein Blog begleitet Sie über diesen Turniertag – wenn Sie mögen…
Soeben ist Otto Becker in der Schleyerhalle eingetroffen, der Bundestrainer. Die Schwaben freuen sich, dass er an den Neckar gekommen ist und nicht an die Moldau gefahren ist. Ich falle sogleich mit der Tür ins Haus und frage: „Otto, verrate mir doch bitte, ob du nach den Spielen von Paris deinen Vertrag als Bundestrainer um vier weitere Jahre verlängern wirst?“ Otto antwortet: „Ich weiß ja gar nicht, ob die mich dann überhaupt noch haben wollen. Ganz ehrlich gesagt: Ich weiß es selber noch nicht!“ Also reden wir nicht lange drum herum: Hoffentlich verlängert Otto seinen Vertrag als Bundestrainer mit dem DOSB bzw. mit dem Bundes-Innenministerium! Einen anderen haben wir nicht, einen besseren schon gar nicht.
Nur 35,82 Sekunden benötigte Markus Kölz mit seinem erfahrenen Fuchs gestern Abend für den Stechparcours: „Ich wusste, dass Andy mit seinem Cassadero sehr schnell reiten kann, also musste ich alles auf eine Karte setzen“. Das tat denn auch Andy Witzemann, der Hallenchampion von 2017 und 2018. Aber es reichte am Ende nur zu Platz zwei in 36,77 Sekunden. Dabei erinnert uns der 14-jährige Cassadero aus dem Besitz von Wolfgang Koppensteiner an diesen vor Jahren auf tragische Weise tödlich verunglückten Tübinger Pferdemann. Andy Witzemann hält die Erinnerung an Wolfgang Koppensteiner in Ehren – das gefällt mir sehr. Das verstehe ich unter Anstand und Niveau!
Beim Blick auf Platz drei finden wir Tina Deuerer mit ihrem Emrado. Einige Zeit hatte es so ausgesehen, als könnte die führende Amazone des Landes das Championat für sich entscheiden. Es wäre nach Miriam Sessler, geb. Wurster 1988 und Verena Karle 2007 der dritte Damensieg in diesem 1986 begründeten Championat gewesen. Eigentlich schade. Aber im olympischen Jahr 2024 gibt’s ja eine neue Chance.
Die nächstliegende Chance hat gestern Abend Hansi Dreher genutzt. Der Mann aus Südbaden hat einen Lauf: Wer zwei Nullrunden schafft im Finale um den Nationscup, der tankt soviel Selbstvertrauen, dass man es noch Wochen später sehen kann. Ich wage deshalb mal eine Wette auf heute Abend: Wetten, dass Hansi Dreher eine gute Rolle spielt im Finale um den German Master, einem Klassiker des europäischen Hallenspringsports seit seiner Gründung seit 1987! Das nenne ich Tradition im besten Sinne.
Im Augenblick (Ortszeit 12.45 Uhr) ist der Grand Prix als Qualifikation zur Weltcupkür morgen gelaufen: Isabell Werth stellte ihren jetzt 17-jährigen Emilio etwas verhalten vor, aber fehlerfrei und korrekt. Mit 76,109 Prozentpunkten sichert sie sich den Sieg: Drei der fünf Richter haben sie auf Rang ein, zwei auf Platz zwei. Schon neunmal hat Isabell in Stuttgart die Weltcupkür gewonnen, nicht weniger als 16mal das Mastersfinale.
Im Interview mit der heutigen Turnierzeitung des Reiterjournals hat Isabell eine Botschaft an ihre Fans: Sie habe nicht vor, im kommenden Jahr bei bzw. nach den Spielen von Paris ihre Karriere zu beenden! Sie habe nach wie vor großen Spaß an der Ausbildung der jungen Pferde. Sie fühle sich fit genug, um die Herausforderungen des Spitzensports anzunehmen und ihnen gerecht zu werden. Das ist eine klare und mutige Ansage, denn die internationale Konkurrenz wird es ihr nicht leicht machen, ihre glanzvolle Karriere so unangefochten wie viele Jahre bisher fortzuführen.
Die starke Dänin Nanna Merrald, die bei der EM in Riesenbeck Bronze gewann, belegt mit Don Olymbrio Platz zwei mit 75,587 Punkten; zwei Richter haben sie auf Rang eins, drei auf Rang zwei. Andreas Helgstrand mit Wendy und 73,130 Prozent unterstreicht den guten dänischen Tag. Besonders erfreulich aus meiner Sicht: Emma Karneva, Raphael Netz aus dem Stall Werndl in Aubenhausen, Larissa Paulus aus Belgien und auch Isabel Freese mit ihrem Totilas-Nachkommen Total Hope bilden den Reiz dieses Vormittags: Gute Pferde auf dem Weg nach oben.
Das hat man in der Geschichte des Stuttgarter Turniers immer wieder gesehen. Und genau das ist das Eintrittsgeld wert. Wer etwas versteht von der Dressurreiterei, wer ein Faible hat für die jungen Talente und/oder die erfahrenen Pferde mit jungen Leuten im Sattel, der ist in der Schleyerhalle am rechten Ort. Das werden wir morgen in der Kür sowie im Grand Prix für den Master und im Finale am Sonntag erneut sehen. Spannender kann die Dressurreiterei nicht sein, selbst wenn man zugeben muss, dass wir uns die eine oder den anderen mehr auf dem schwäbischen Viereck gewünscht hätten.
Einen Schweizer Doppelsieg gibt’s im internationalen Springen: Pius Schwizer siegt auf Courage, früher geritten von Brian Balsiger, vor Elian Baumann auf di Vico. Platz drei für Robert Whitaker auf Chatondo; der Sohn vom legendären John, der in Prag reitet, agiert im Sattel wie sein Vater. Zum Verwechseln ähnlich.
Meinen Blog aktualisiere ich wieder über den Tag. Und ich freue mich über ihr Interesse.
Grüße aus Stuttgart.