Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Dieser politische Merksatz stammt, wenn ich mich nicht täusche, von Lenin. Heute kommt er mir mal wieder in den Sinn, wenn ich im Pressedienst der FN aus Warendorf folgende Überschrift lese: „Herpes-Impfpflicht aufgehoben“. Der FN-Beirat Sport habe diese Entscheidung: mit 76 Prozent Mehrheit. Hört, hört!

Immerhin, so heißt es da beschwichtigend, bleibe „die Empfehlung, Turnierpferde gegen Herpes zu impfen, selbstverständlich bestehen“. Vom 15. April dieses Jahres an gibt’s also keine Impfpflicht mehr. Ich halte das, ums gleich zu sagen, für einen Fehler! Irgendwie hege ich den leisen Verdacht, dass da im FN-Beirat Sport viele gegen den Begriff der Impfpflicht votiert haben, weil sie sich mit Schaudern an die Corona-Jahre und die massiven Probleme mit der weltweiten Pandemie erinnern. Flottes Motto: Nie wieder Impfpflicht!

Die offizielle Meldung aus der FN-Zentrale in Warendorf möchte ich meinem Publikum nicht vorenthalten. Dort steht zu lesen: „Als wir die Impfpflicht eingeführt haben, sind wir davon ausgegangen, dass der Weltreiterverband und andere Nationen mitziehen werden. Das ist aber nicht der Fall. Auch der Weltverband verzichtet nach wie vor auf eine Impfpflicht.

Zugleich spüren die Landesverbände einen anhaltenden Widerstand gegen die Impfpflicht. Mit unserer erneuten Abstimmung reagieren wir auch auf aktuelle Entwicklungen wie beispielsweise die hohe Inflation der vergangenen Jahre oder die neue Gebührenordnung für Tierärzte, erklärt FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach.

Laut ständiger Impfkommission Veterinärmedizin gehört die Impfung gegen Herpes zu den ,Core-Komponenten‘. Deshalb bleibt die Empfehlung zur Impfung auch ganz klar bestehen“ so Lauterbach. Lediglich die Entscheidung darüber bleibt nun wieder jedem Pferdebesitzer eigenverantwortlich selbst überlassen.“

In ihrer Rückschau auf die vergangenen Jahre erinnert die FN völlig zurecht an die negativen Fakten im Zusammenhang mit der Herpes-Epidemie bei den Pferden in ganz Europa. Zitat: „Als der Beirat Sport im Sommer 2021 die Entscheidung für eine Impfpflicht getroffen hatte, waren die Rahmenbedingungen noch ganz anders. Damals war es zu einem massiven Ausbruch der neurologischen Verlaufsform von EHV-1 auf einem internationalen Turnier in Spanien gekommen.

In der Folge wurde der internationale Turniersport in Europa und auch der internationale Turniersport in Deutschland für mehrere Wochen ausgesetzt. Die Folgen waren massiv. Im Zusammenhang mit dem Ausbruch mussten 19 Todesfälle bei Pferden verzeichnet werden.

Bereits seit mehreren Jahren wurde eine Herpesimpfpflicht innerhalb des Verbandes diskutiert. Denn jedes Jahr sind Herpesausbrüche zu verzeichnen, die für betroffene Pferde im Falle der neurologischen Verlaufsform oftmals tödlich enden. Zudem hatte die FN während des Ausbruchs im Frühjahr 2021 viele Nachrichten von Mitgliedern erreicht, in der die Einführung einer Impfpflicht gefordert wurde.

Aus diesen Gründen hatte sich der Beirat Sport mit der Einführung einer Impfpflicht befasst und letztlich aus der Empfehlung eine Impfpflicht ab 2023 gemacht. Mit seiner Entscheidung folgte der Beirat Sport damals den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin.

Ich hab‘ die Pressemeldung aus Warendorf jetzt zweimal gelesen – irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, als wollte uns der FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach in Wahrheit nur eines mitteilen: Er hält die jetzt getroffene Entscheidung für falsch! Dass im Beirat immerhin ein Viertel der Mitglieder gegen das Ende der Impfpflicht gestimmt hat, lässt aufhorchen. Die Meinungen gehen also offenkundig auseinander.

Auch ich will nochmal kurz daran erinnern, was sich damals tatsächlich ereignet hat: Die Reiterfamilie Schlüsselburg beispielsweise hat durch den Ausbruch der Herpespandemie nach dramatischen Tagen und Wochen ein Dutzend Pferde verloren. Auch in Spanien selbst waren Besitzer und Reiter massiv von der Seuche betroffen. Dass der Weltverband seinerzeit keine Impfpflicht eingeführt, zeigt mir heute, dass man aus den Schäden von damals offenbar nichts gelernt hat, gar nichts lernen wollte.

In den vergangenen Monaten kommt bei uns immer wieder das Thema der neuen Gebührenordnung für die Tierärzte auf. Alle stöhnen unter den gestiegenen Kosten. Für mich passt das alles unterm Strich nicht zusammen: In den wohlfeilen Sonntagsreden schwören alle Pferdeleute, sie wollten und würden alles nur Erdenkliche tun für ihre Tiere.

Wenn’s aber um die konkreten Fakten geht, also ums Geld, werden die Dinge gerne relativiert und abgeschwächt. Dann möchte man den Tierärzten die Gebührenerhöhung für ihre Arbeit kurzerhand zumindest wieder kürzen oder gar ganz vorenthalten. Und man verweist auf die Inflation, die ganz aktuell auf 2,2 Prozent gesunken ist.

Wie auch immer – eines steht für mich felsenfest: Die nächste Herpes-Epidemie kommt ganz bestimmt. Wir wissen nur nicht wann. Wer also klug ist und nicht spart am falschen Ende, der lässt seine Pferde Jahr für Jahr gegen Herpes impfen, vor allem dann, wenn sie im internationalen Spitzensport unterwegs sind. Ich bleib dabei: Vertrauen ist gut, Kontrolle – also Impfen – ist besser!