Ohne den Schweizer Journalisten Max Ammann (85) und den ehemaligen Volvo-Chef Pehr Gyllenhammer (87) gäb’s weder den Weltcup der Springreiter noch den Weltcup der Dressurreiter. Ammann erfand Mitte der Siebziger des vorigen Jahrhunderts das bis heute kaum veränderte Regelwerk, Gyllenhammer stützte die Serien über lange Jahre als Hauptsponsor. Das Scandinavium von Göteborg ist wohl die weltweit bekannteste Reitsportarena. Von heute an geht’s dort um die 14. und letzte Station der Saison 2022/23 für die Springreiter sowie um die zehnte und damit vorletzte Station für die Dressurreiter. 

Kurze Rückblende: Um allein die Geschichte des Weltcups der Springreiter, angefangen mit dem Sieg von Hugo Simon auf Gladstone 1979 bis zu den Finals in Dressur und Springen in Omaha/Nebraska im kommenden Frühjahr, auch nur einigermaßen darzustellen, bräuchte es wenigstens zwei dicke Bücher. (Eine Zeitlang gab’s solche Weltcup-Guides übrigens jedes Jahr. Inzwischen sucht man sie mit mäßigem Erfolg im hippologischen Antiquariat.)

Sicher ist jedoch soviel: Der Weltcup, mittlerweile ja ausgedehnt auf die Gespannfahrer, ist nicht nur die längste, sondern auch die erfolgreichste Serie im internationalen Turniersport. Die Titel der Weltcupsieger in Dressur und Springen rangieren ihrer Bedeutung nach gleich hinter den Olympischen Spielen und den Weltmeisterschaften. Sie gelten nicht von ungefähr als „WM-Titel in der Halle.“ Kein anderer Ort hat so viele Weltcupfinals erlebt wie Göteborg. Von 1979 bis 2001 fanden sie alle zwei Jahre im Scandinavium statt – eine Bedingung des Sponsors Volvo. Auch 2008, 2013 und 2016 sah Göteborg die Finals.

Am  kommenden Wochenende ist die zweitgrößte Stadt Schwedens „nur“ eine normale Weltcupstation. Das zeigt sich deutlich an der Meldeliste für das Springen: 46 Aktive aus 15 Nationen stehen darauf mit um die einhundert Pferde. Von den ersten 18 auf der aktuellen Punkteliste, die in Richtung Finale weist, sind nur wenige am Start: Publikumsliebling Henrik von Eckermann steht darauf – zeitgleich aber auch auf der Meldeliste zum Konkurrenzturnier in Doha/Katar, von dem gleich noch die Rede sein wird.

Harry Charles, der sein USA-Ticket sicher hat, kommt, ebenso Scott Brash, der nur noch einige wenige Punkte braucht. Der Däne Andreas Schou will seinen Platz absichern, ebenso die Schwedin Wilma Hellström. Die Franzosen schicken drei Aktive aus der zweiten Reihe, Gleiches gilt für unsere Reiter: Marco Kutscher, Marcel Marschall und Philipp Schulze Topphoff sind genannt. Harry Smolders will noch auf den Flieger zum Finale „aufspringen“. Ein wenig bin ich erstaunt darüber, denn die Springen sind mit 6,4 Millionen Kronen dotiert, was tagesaktuell immerhin 582 000 Euro entspricht. Für das Weltupspringen liegen 2,7 Millionen Kronen bereit, umgerechnet 245 000 Euro. Das ist ja nicht nix.

Des Rätsels Lösung liegt im Nahen Osten: Doha, die Hauptstadt von Katar, lockt die Elite der Springreiter mit 765 000 Euro Preisgelt, davon allein 410 000 Euro im Großen Preis am Samstag. Der Sieger bekommt 135 000 Euro – da kann Göteborg nicht mithalten. Kein Wunder also, dass Deutschland mit den Herren Ahlmann, Beerbaum, Dreher, Ehning, Kukuk, Nieberg und Weishaupt vertreten ist. Die Franzosen schicken Staut und Delestre, die Briten ihre Legende John Whitaker, die Iren Dennis Lynch und Shane Breen, für Schweden stehen Malin Baryard-Johnsson sowie Henrik von Eckermann auf der Liste: Will der Weltmeister auf beiden Hochzeiten tanzen? Wir werden sehen.

Apropos sehen. Die Weltcupdressur von Göteborg scheint so etwas zu sein wie ein Mauerblümchen: Elf Aktive nur aus fünf Nationen. Isabell Werth und Helen Langehanenberg für Deutschland, Carina Krüth und Nanna Merrald für Dänemark – sie machen das „Rennen“ unter sich aus. Isabell sattelt Quantaz, Krüth ihr WM-Pferd Danciera und Nanna Merrald ihren Blue Hors Zack.

Interessant zu sehen: Die Katarer, die zuletzt weltweit Schlagzeilen gemacht haben mit ihrer Fußball-WM, locken heuer auch mal wieder die Dressurreiter: 150 000 Euro an Dotierung sind ausgelobt, davon allein 100 000 für die Kür. Dazu gibt’s einen Grand Prix (30 000 Euro) und einen Spezial (20 000 Euro). Aus den Niederlanden kommen Dinja van Liere und Thamar Zweistra, dazu Patrick Kittel, für Frankreich Morgan Barbancon und aus Spanien Juan Matute. Evelyn Eger reitet in Doha für Deutschland.

Last but not least: In Doha gibt’s auch das Dressurprogramm für die Reiterinnen und Reiter mit Handicaps. Das klingt schon mal gut. Ansonsten darf man skeptisch bleiben, wenn es um internationalen Spitzensport in Katar geht.