Bei strahlendem Sonnenschein und vor Hunderten von Zuschauern ist die internationale Vielseitigkeit in Radolfzell am Bodensee zu Ende gegangen. In der Zwei-Sterne-Prüfung verschenkte die Olympiasiegerin Julia Krajewski auf Chin Tonic den Sieg durch einen Flüchtigkeitsfehler im Parcours. In der Drei-Sterne-Prüfung nutzte Felix Vogg auf Colero seinen Heimvorteil und siegte verdient, nachdem er alle drei Teilprüfungen als Bester absolviert hatte.

Für die Besucher auf dem historischen Gut Weiherhof am Ortsrand von Radolfzell geriet gerade der Auftritt von Julia Krajewski zu einem interessanten Lehrstück: Ihre Tokio-Siegerin „Mandy“ startet erst im Mai in die WM-Saison 2022 – also setzte sie ihre beiden Nachwuchstalente ein, den erst siebenjährigen Chin Tonic, einen Vollbruder zu dem von ihr ausgebildeten Chipmunk, sowie den Franzosen Ero de Cantraie. Auf diese Weise konnte man gut beobachten, wie das sportliche Altagsgeschäft einer Olympiasiegerin aussieht.

Mit Chin Tonic gab’s in der Dressur 24,2 Punkte, im Gelände die beste Nullrunde, also musste im Parcours „nur“ eine weitere Nullrunde her. Der Sieg wäre verdient gewesen – aber es sollte nicht sein: Ein harmloser Steilsprung, etwas zu lässig angegangen, warf Julia Krajewski und ihr Toptalent im Bruchteil einer Sekunde auf Platz fünf zurück. Ob’s danach einen Kraftausdruck gab, oder ob der verschenkte Sieg mit Gelassenheit hingenommen wurde – ich weiß es nicht.

Was ich weiß, ist dies: Brandon Schäfer-Gehrau aus Düsseldorf freute sich im Sattel von Fräulein Frieda (25,2) zurecht über die goldene Schleife. Eva Terpluk aus Ehingen und ihr Black Pearl kamen mit 26,0 auf den guten Rang zwei, gefolgt von Falk Westerich (Ruppertshofen) auf Palm Beach (26,7) und Lena Scheepers (Rheinberg) auf La Mum (27,5). Wie gesagt, Julia Krajewski und Chin Tonic landeten auf Platz fünf (28,2). Wichtig zu wissen: Das Feld in dieser Prüfung sah 77 Teilnehmer.

Nicht minder spannend verlief die Drei-Sterne-Prüfung, zu der 69 Aktive antraten. Felix Vogg und sein Olympiapferd Colero galten von Beginn an als Favoriten. Und sie konnten diese Rolle auch souverän spielen. Wer nach drei Teilprüfungen mit dem Dressurergebnis durchs Ziel galoppiert, der hat in der Vielseitigkeit alles richtig gemacht: 23,0. Kompliment! Calvin Böckmann, dem Jungtalent aus Lastrup, ging‘ mit seinem Altair de la Cense so ähnlich wie Julia Krajewski: Scheinbar sicher auf Rang zwei liegend, fiel ein „Klötzchen“ – Sturzflug nach unten auf Rang zehn (31,5). Immerhin konnte sich Calvin trösten mit dem vierten Platz auf seinem zweiten Pferd The Phantom of the Opera (29,1).

Rang zwei hinter Felix Vogg ging an die junge Französin Anouk Canteloup auf Daniel (27,6), gefolgt von Michael Jung auf seinem Iren Kilcandra Ocean Power (28,5). An dieser Stelle muss es leider wieder einmal um die Richterei in der Vielseitigkeit gehen: Jung bekam von den zwei Juroren die Platzziffern sechs und 18! Andere mussten noch krassere Wertungen hinnehmen, etwa 1 und 22, 3 und 23 oder auch 4 und 29. Da braucht’s gute Nerven und viel Passion zur eigenen Arbeit. Um den Fünften nicht zu vergessen: Emiliano Portale aus Italien auf Aracne (29,3).

Kurzer Blick zum Schluss ins niederländische Oudkarspel, wo die „North Holland Horse Trails“ im Kleinen Kreis vonstatten gingen. Nur 17 Teilnehmer sah man dort in der Vier-Sterne-Prüfung: Ingrid Klimke schaffte locker-lässig einen Doppelsieg mit Hale Bob und Equistro, kassierte dafür 1450 Euro – sie hatte den kurzen Weg in die Niederlande der langen Tour zum Bodensee vorgezogen. Clever gemacht! Tochter Greta Busacker und ihr Scrabble sicherten sich die Drei-Sterne-Prüfung gegen 26  Konkurrenten, Preisgeld nochmal 600 Euro für die Familienkasse.

Kurz zurück zum Weiherhof: Einmal mehr hat die Reiterfamilie Vogg Dank und Komplimente verdient! Aber leider fiel der Livestream genau in dem Augenblick aus, als die letzten fünf Pferde um den Sieg sprangen. Das war ärgerlich.