Die 36. Europameisterschaft der Buschreiter endet mit der 24. Goldmedaille seit 1953 für die Equipe aus Großbritannien. In der Einzelmeisterschaft gibt es einen britischen Doppelsieg durch Rosalind Canter, die Weltmeisterin von 2018, und ihre Teamkollegin Kitty King. Damit hat der britische Teamchef Chris Bartle einmal mehr die Dominanz seiner Reiterinnen unter Beweis gestellt und ebenso die Dominanz seines Managements. Ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Paris haben die Briten ihre Rolle als Topfavoriten glänzend herausgestellt. Sandra Auffarth holte die Bronzemedaille, Christoph Wahler belegte Platz vier, der Debütant Jerome Robine wurde Sechster.

Ehe uns die abschließenden Stimmen und Kommentare aus Haras du Pin erreichen, hier die wichtigsten Fakten zum Ausgang dieser EM. Um Haaresbreite wäre es Rosalind Canter geglückt, diese schwere Vier-Sterne-Prüfung mit ihrem Dressurergebnis von 21,3 Minuspunkten zu gewinnen. Nachdem sie gestern als einzige des 56 Starter großen Feldes den verkürzten Geländekurs ohne Zeit- und Hindernisfehler bewältigt hatte, musste sie heute am Nachmittag als letzte Reiterin einen Abwurf hinnehmen – mehr als zwei hätte sie sich locker leisten können.

Nach ihrem WM-Erfolg 2018 bei den Weltreiterspielen in Tryon ist der EM-Titel der zweite große Höhepunkt ihrer Karriere. Der elfjährige Graffalo, ein Sohn des Trakehners Birkhofs Grafenstolz, erwies sich über alle EM-Tage als topfit und zuverlässig. Als Siegprämie gab’s 21 000 Euro für den Titel. Kitty King und ihr Vendredi Biats gingen mit 32,0 Punkten durchs Ziel, hatten im Parcours 1,2 Zeitfehler. Prämie 18 000 Euro.

Sandra Auffarth und ihr Viamant du Matz blieben im Parcours ohne Fehler, holten verdient die Bronzemedaille, Prämie 12 500 Euro. Damit konnte sich die Weltmeisterin von 2014 diesmal mit 34,6 Punkten rehabilitieren für die WM vor einem Jahr, bei der sie in der Teamwertung das Streichresultat geliefert hatte und leider jenseits von Rang dreißig landete – nach drei Abwürfen im Parcours.

Neben Sandra Auffarth, die sich enorm steigern konnte in diesem schwierigen Wettkampf, hat auch Christoph Wahler für seine Leistung auf Carjatan ein dickes Kompliment verdient (41,5 Punkte), Prämie 10 500 Euro. Kompliment auch für den Debütanten Jerome Robine und seinen Black Ice, der seinen siebten Rang aus der Dressur bis zum Ende hielt: 46,0 Punkte. Prämie 2500 Euro. Malin Hansen-Hotopp und ihr Carlitos hatten am Ende 55,1 Punkte, was Rang 19 bedeutete; Prämie 2500 Euro.

Beim spannendem Endkampf im Parcours konnten Kitty King, Yasmin Ingham, Laura Colett und Rosalind Canter mit insgesamt 103,9 Punkten mit wenigen Abwürfen ihre Rolle als Topfavoriten bestätigen. Mit 131,2 Punkten, also einem klaren Abstand, ging die Silbermedaille an die von Peter Thomsen klug geführte deutsche Equipe mit Malin Hansen-Hotopp, Christoph Wahler, Sandra Auffarth und Michael Jung. Die Revanche nach ihrem Sieg bei der WM vor einem Jahr in Pratoni durch die Britinnen mussten sie anerkennen und hinnehmen. Die Franzosen, Weltmeister von 2018, mussten sich, knapp geschlagen, diesmal mit Bronze zufrieden geben /134,2).

Mit viel Pech am letzten Wassereinsprung musste Michael Jung, auch einer der Topfavoriten, aus dem Sattel und ins Wasser – Ausgeschieden. Hinweise im Internet, die zurecht hervorheben, dass dem  Reitmeister aus Horb in den vergangenen Jahren das Pech an den Reitstiefeln klebt, sind leider zutreffend. 2021 in Tokio warf ihn ein umstrittener Fehler an einem Holzstoß, wo die Sicherungsklappe auslöste, um die mögliche Medaille. Bei der EM 2021 in Avenches war es das krasse Fehlurteil eines Schweizer Dressurrichters, das ihn die verdiente Medaille kostete.

In Aachen 2022 sah er wie der sichere Sieger aus – eine umgeworfene Begrenzungsflagge vereitelte den Erfolg. Vor einem Jahr bei der WM vergab er den zum Greifen nahen zweiten Titel nach 2010 durch einen Abwurf am letzten Sprung. Diesjahr in Aachen musste Michael Jung mit Rang zwei hinter Yasmin Ingham vorlieb nehmen, weil sein Chipmunk in der Dressur angesprungen war und er im Busch frühzeitig ein Eisen verlor. Und gestern nun der Sturz ins Wasser. Es ist wie verhext.

Im Verlauf dieser EM von Haras du Pin hat Bundestrainer Peter Thomsen immer wieder darauf hingewiesen, dass alle Planungen, jeder Einsatz der in Frage kommenden Reiter und Pferde, einzig und allein auf das Ziel Paris 2024 ausgerichtet ist. Thomsen kann zufrieden sein: Bronze im Einzel und Silber mit der Mannschaft – das ist aller Ehren wert! Ob der Bundestrainer aber heute Abend klüger ist, was Paris angeht, das wage ich zu bezweifeln.

Denn die Fragen häufen sich: Wird Mandi, das Toppferd von Julia Krajewski, wieder fit und einsatzbereit? Sieht Ingrid Klimke womöglich noch eine Chance für sich, mit Siena in den großen Sport zurückzukehren? Kann Sandra Auffarth ihren Viamant fit und gesund halten, der im olympischen Jahr immerhin 15 sein wird? Wie steht es in einem Jahr um den dann 16-jährigen Chipmunk? Auch Christoph Wahlers Carjatan ist im kommenden Jahr 15. Vergessen wir nicht: Bei Olympia gibt’s pro Nation lediglich drei Startplätze und keinerlei Streichresultate!

Ich sag‘ am Schluss mal so und ganz salopp: Nur Chris Bartle kann diesen Olympischen Spielen mit aller Gelassenheit entgegen sehen.