Noch sind es drei Wochen hin bis zum Weltcupfinale der Dressurreiter*innen in Omaha, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Nebraska. Aber schon melden sich hinter vorgehaltener Hand die Lästermäuler: Nachdem nun feststehe, dass „Littie“ Fry und ihr Glamourdale nicht teilnehmen, werde es womöglich zu einer deutschen Meisterschaft mit allerhand Gästen kommen. Klare Favoritin: Jessica von Bredow-Werndl und ihre Dalera.

Gemach, gemach, kann man da nur sagen. Auch Jessica muss erst einmal antreten und die Klasse ihrer Olympiasiegerin auf das Viereck zaubern. Denn so ganz ohne starke Konkurrenz wird sie bei diesem 36. Weltcupfinale ja nicht sein: Nana Merrald, die Team-Weltmeisterin von Herning, sattelt ihren Blue Hors Zepter, der in den letzten Qualifikationen beachtliche Runden drehte. Dinja van Liere aus den Niederlanden, WM-Dritte in der Kür, reitet ihr Toppferd Hermes. Diese beiden werden alles geben, um zu verhindern, dass Jessica ihren Titel aus dem Vorjahr, wo sie in Leipzig glänzte, quasi im leichten Sitz verteidigen kann.

Natürlich hätten alle Fans der Dressurreiterei auf der ganz großen Bühne den Zweikampf zwischen Glamourdale und Dalera allzu gerne gesehen. Trotzdem, so scheint mir, gibt’s vom 6. bis 9. April in Omaha spannenden Sport zu sehen: Wenn sich nichts mehr ändert an der Nennungsliste, was aber durchaus noch sein kann, dann treten 16 Damen an gegen Steffen Peters und seinen Suppenkasper. Da lohnt sich das Gender-Sternchen wirklich nicht. Steffen, 58 Jahre jung, in Wesel am Niederrhein geboren, Schüler von Reitmeister Jo Hinnemann, seit 1992 US-Bürger, verdankt eigentlich Helen Langehanenberg seine Konkurrenzfähigkeit auf dem höchsten Niveau, denn sein 15-jähriger Wallach stammt aus ihrem Beritt.

Für Isabell Werth geht es bei diesem Finale in den USA einmal mehr um einen Rekord. Sollte sie mit ihrem DSP Quantaz schließlich antreten, wäre es ihre 24. Teilnahme an einem Weltcupfinale. Starke Leistung! In den letzten Wochen hatte die vierfache Finalsiegerin (2007, 2017, 2018 und 2019) allerdings mit schwankenden Leistungen ihrer Pferde zu kämpfen – vor allem, was Emilio betrifft. Dass Isabell stets bereit und in der Lage ist, den Kampf aufzunehmen und noch eine Schippe draufzulegen, das wissen wir. Kurzum, sie wird ihrer früheren Schülerin Jessica den neuerlichen Titel nicht als Morgengabe überreichen.

Wie es jetzt aussieht, wird Ingrid Klimke mit ihrem Franziskus in Omaha ihre Premiere in einem Cupfinale feiern: Halt, falsch! 2002 hat sie auf  Nector in Herzogenbosch ihr erstes Weltcupfinale bestritten und dabei Rang sieben belegt – lang ist’s her. Bei ihrem Sieg in der Schleyerhalle haben Ingrid und ihr Hengst im vergangenen November vollauf überzeugt. Aber in einer völlig neuen, unbekannten Halle erfolgreich zu sein, da muss auch eine so erfahrene Reitmeisterin wie Ingrid Klimke ihr ganzes Können aufbieten. Sollte es, was wir nicht ernsthaft hoffen wollen, in letzter Minute noch einen Ausfall von Jessica, Isabell oder Ingrid geben, könnte Benjamin Werndl mit seinem Famoso nachrücken – sofern er möchte. Vergessen wir nicht: Die  Tour in die USA ist anstrengend, aufwendig und nicht zuletzt auch teuer für alle Beteiligten.

Trotzdem finde ich es richtig, dort anzutreten: Wir befinden uns im vorolympischen Jahr. Bis Paris 2024 ist es wirklich nicht mehr weit. Und ich mag es, wenn sich die Aktiven nicht vor lauter Taktik verbiegen und allerlei mehr oder weniger glaubhafte Ausreden dafür parat haben, dass sie lieber zuhause bleiben und dort sogar unabkömmlich sind. Wessen Taktik am Ende aufgeht, werden wir ja sehen. Meine Erfahrung, die ich in immerhin mehr als fünfzig Jahren Journalismus rund ums Pferd gewonnen habe, sagt mir: Wer mit offenem Visier die Herausforderung des großen Wettkampfes annimmt, wer selbstbewusst etwas wagt und sich nicht vor lauter Taktik verheddert, der steht, wenn die Hymnen  gespielt werden, auf dem obersten Treppchen.