Der Historiker Armin Jäger hat sich große Mühe gemacht. Über Monate hinweg nahm er die 2008 begründete „Hall of Fame des deutschen Sports“ unter die zeitgeschichtlich kritische Lupe. Im Berliner Bundesarchiv, wo jedermann die „Zentralkartei der NSDAP“ per Mausklick aufrufen kann, ist er unter anderem auf Hans Günter Winkler gestoßen: 1926 geboren, war HGW 1944 in die NSDAP eingetreten – als Jugendlicher. Diese Fakten waren bis dato unbekannt. Unbekannt war bisher auch, dass, nach Jägers Recherche, Fritz Thiedemann „Obertruppführer in der SA war, beschäftigt auf deren Reichsreiterführerschule in Berlin“.

In der Süddeutschen Zeitung vom 13. März legt Armin Jäger auf einer Sonderseite die Ergebnisse seiner Recherchen dar. Und auf der aktuellen Internetseite www.hall-of-fame-sport.de heißt es wörtlich: „Aufgrund neuer, zeithistorischer Erkenntnisse zu einzelnen Mitgliedern der „Hall of Fame des deutschen Sports“ aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 erfolgt aktuell eine Überarbeitung der betreffenden Biografien“. Wie lange dies dauert und zu welchen Ergebnissen es am Ende führt, ist gegenwärtig noch völlig offen.

Um sogleich Missverständnissen vorzubeugen: Armin Jägers kritische Recherchen verurteilen weder HG Winkler noch seinen langjährigen Freund und Weggefährten Fritz Thiedemann. Was HG Winkler betrifft, so zitiert der Historiker aus seiner 2007 erschienenen Autobiografie „Halla, meine Pferde und ich“. Wörtlich schreibt Winkler: „Wie vielen meiner Altersgenossen wurde mir die Militärzeit dadurch erleichtert, dass ich noch ehrlich an einen Sinn unseres Einsatzes glaubte und so etwas wie Begeisterung für den täglichen Dienst aufbrachte. Mein jugendlicher Glaube, dass dieser totale Krieg gekämpft werden musste, wurde noch nicht einmal erschüttert, als uns (gemeint sind seine Mutter und er) ein furchtbarer Schlag traf: In den aller letzten Kriegswochen fiel noch mein Vater an der Westfront.“ Das war im Januar 1945.

Armin Jäger stellt die Frage, weshalb HG Winkler seine Mitgliedschaft in der NSDAP in dieser Autobiografie unerwähnt gelassen hatte? Auch Fritz Thiedemann habe seine Zugehörigkeit zur Reiter-SA in seiner als Buch erschienenen Biografie nicht erwähnt.

Fritz Thiedemann war, wie wir wissen, Jahrgang 1918, er starb im Jahr 2000. HG Winkler war im Juli 1926 geboren, er starb im Juli 2018. Beide haben durch herausragende Leistungen im Sattel und untadeliges Auftreten auf den großen Turnierplätzen der Welt zu Deutschlands neuem Ansehen nach dem Zweiten Weltkrieg beigetragen. Beide sind dafür zurecht vielfach gewürdigt und ausgezeichnet worden. Beide werden ihre Plätze in der „Hall of Fame des deutschen Sports“ sicherlich behalten.

Wir Nachgeborenen sollten es uns in der Rückschau auf die Biografien dieser beiden Reiter (und vieler anderer Zeitgenossen) nicht zu leicht machen: Nach der furchtbaren Katastrophe des Zweiten Weltkriegs wollten sie – wie Millionen andere – nach vorne blicken, die Nöte und die Leiden des Krieges hinter sich lassen. Winkler und Thiedemann haben sich nach 1945 uneingeschränkt zur Demokratie bekannt. Wer sie dennoch kritisch beurteilt nach den neuen historischen Erkenntnissen, dem bleibt dies unbenommen.

Meine Frage an mich selbst lautet: Wie hätte ich mich in jenen Zeiten verhalten? Meine Antwort: Ich bin froh, dass mir diese finsteren Zeiten erspart geblieben sind!