Erinnern Sie sich noch? In Aachen gab’s mal einen Preis der Nationen – getrennt für Damen und Herren. Bei den Damen siegte das Quartett aus der Eidgenossenschaft, bei den Herren obsiegten die Schweden. Meine Frage an Sie, liebe Leserinnen und Leser, wann das wohl war, läuft hier und heute unter dem Motto Schwerz, Satire, Ironie! Das war nämlich 1927 – drei Jahre nach Gründung des Offiziellen Internationalen Reit- und Springturniers von Deutschland. 1924 – 2024! Das feiern die Aachener und ihre Gäste aus der ganzen Welt in diesem Jahr vom 28. Juni bis zum 7. Juli.

Beim Stöbern in meinem hippologischen Fundus bin ich heute rein zufällig auf Karl Schönerstedt gestoßen, einen Fotografen und Journalisten der fünfziger und sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. 1961 hat er im Verlag von Rudolf Georgi in Aachen einen schmalen Bild- und Textband veröffentlicht unter dem Titel „Aachen – Weltfest der Reiter“. Aktuell geht es darin um die interessante Europameisterschaft der Springreiter 1961 in der Soers. (Sieger übrigens David Broome auf Sunsalve). Aber Karl Schönerstedt richtet seinen Blick auch zurück zu den Anfängen.

Schönerstedt schreibt: „1924, am 1. Juli, wurde das erste Aachener Reitturnier aus der Taufe gehoben. Da Besatzungstruppen in der Stadt waren, hatte man gleich internationalen Besuch. Die Lage Aachens unmittelbar an der Grenze des Reiches bot sowieso gute Gelegenheit, ausländische Teilnehmer auf den Platz zu bekommen. 1927 wurde der erste Große Preis von Aachen entschieden, 1029 gab es den ersten Preis der Nationen.“

Aus anderen Quellen lässt sich allerhand ergänzen über die eher bescheidenen Anfänge des größten Reitturniers der Welt: Im Juli 1924 startete der 1898 gegründete Aachen-Laurensberger Rennverein mit Reiten, Fahren und vor allem mit Rennen. Man veranstaltete Flach- und Hürdenrennen, aber auch Trabrennen und Rennen für Kaltblüter. Doch nur wenige Tage nach dieser heute legendären Premiere schien der Elan der alten Aachener Herren bereits zu scheitern: Die sogenannte Lustbarkeitssteuer riss ein Loch in die Kasse – der Landkreis half großzügig. In Stadt und Kreis hielt man zusammen wie Pech und Schwefel.

1925, so steht es in den Annalen, startete man in der Soers regelrecht durch: Eine Holztribüne für tausend Zuschauer wurde errichtet, dazu ein Richterhaus aus Holz mit Nebenräumen. Das Turnier dauerte vier Tage, bestand aus 19 verschiedenen Prüfungen und lockte nicht weniger als 20 000 Zuschauer! Das war quasi der Grundstein für die Tradition, die bis heute andauert.

Nochmal Karl Schönerstedt: „Wer in Aachen ritt, gehörte zur Elite seines Landes. Wer in Aachen siegte, gehörte zu den Besten der Welt.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert. Anno 2024 wird der „Tschio“ nicht nur für die deutschen Reiter der entscheidende letzte Test vor den Olympischen Spielen in Paris sein. Also steht zu befürchten, dass das 100-Jahr-Jubiläum etwas in den Hintergrund gerät. Um dem ein wenig entgegenzuwirken, werde ich in den kommenden Wochen und Monaten immer mal wieder auf die grandiose Geschichte des Reitsports in der Soers zu sprechen kommen. Das Material dazu ist wirklich unerschöpflich.