Paul Schockemöhle und Uli Kasselmann machten nicht mehr viele Worte. Vor wenigen Tagen meldeten sie sich öffentlich: „Nach dem Ausscheiden der Firma Bemer als Titelsponsor ist es kurzfristig nicht möglich gewesen, einen neuen starken Partner zu finden.“ Deshalb werde man 2024 bei der Riderstour eine „Auszeit“ nehmen. Diese Zeit wolle man dazu nutzen, „eine sportlich wertvolle, wirtschaftlich abgesicherte Konzeption mit einem entsprechenden Partner zu realisieren“.
Mein historischer Blick zurück für die Nachgeborenen: Im Jahr 2001 wurde die Riderstour aus der Taufe gehoben. An ihrer Wiege standen Paul Schockemöhle und Hans Werner Aufrecht. Die Grundidee dieser beiden erfolgreichen Macher: Nach dem Vorbild der Rennsportserie Formel I sollte es in möglichst festen und gesicherten Abständen bestens dotierte Springen für Einzelreiter und auch für Teams geben. Das Startbudget lag bei nicht weniger als sieben Millionen alte D-Mark – den Euro gab’s seinerzeit noch nicht.
Hans Werner Aufrecht, ein Selfmademillionär, der es vom einfachen „Stift beim Daimler“, wie man bei uns im Schwäbischen sagt, zu einem weltweit führenden Konstrukteur von Rennwagen und PS-starken Autos für die Straße gebracht hat, pochte von Anfang an darauf, die Wettkämpfe der Riderstour stets zu bester Sendezeit in der ARD zu übertragen. Dafür wollte er seine guten Beziehungen aus der von ihm erdachten und durchgesetzten DTM nutzen, der Deutschen Tourenwagen Meisterschaft.
Die ersten Jahre der neuen Riderstour liefen vielversprechend. Topreiter starteten gerne auf den zuvor ausgesuchten Turnieren, etwa in Mannheim, Donaueschingen, Wiesbaden und München. Die gut dotierten Gesamtsiege der Serie gingen in den Anfangsjahren an die Beerbaum-Familie, also an Ludger und Meredith, aber auch an Thomas Frühmann und Carsten-Otto Nagel. 2007 beispielsweise betrug die Dotierung 250 000 Euro.
Allerdings ließ sich die Idee mit den Übertragungen in der ARD nicht auf Dauer verwirklichen: 2009 wurden sie in die Dritten Programme abgeschoben. Damit war auch der Versuch hinfällig, nicht nur auf deutschen, sondern auch auf Turnieren im Ausland die Qualifikationen zur Tour auszutragen. Die Riderstour geriet zu einer rein deutschen Angelegenheit. Wann genau und weshalb sich die Wege von Paul Schockemöhle und Hans Werner Aufrecht trennten, lässt sich nicht präzise sagen. Jeder von den beiden hatte eigene Ideen und Absichten über die Zukunft ihrer Tour. Aufrecht stieg jedenfalls aus.
Das Unternehmen Bemer war seit 2016 Titelsponsor, davor waren es renommierte Unternehmen wie etwa Gold-Zack, die Liechtensteiner Bank LGT sowie die Deutsche Kreditbank. Die Riderstour für die Dressurreiter war übrigens nur von kurzer Dauer. Starke deutsche Topturniere profitierten im Laufe der vergangenen gut zwanzig Jahren durchaus von der Riderstour, beispielsweise die Immenhöfe bei Donaueschingen, aber auch Münster in Westfalen oder Paderborn, um nur wenige zu nennen.
Vor noch nicht allzu langer Zeit sicherte sich der Südbadener Hans-Dieter Dreher den Gesamtsieg der Tour 2023/24 beim Hallenturnier in Neumünster. Er darf sich vorerst „Letzter Rider of the Year“ nennen. Die Teamwertung wurde übrigens schon 2006 wieder aufgegeben.
Wichtig zu wissen: Die in den frühen zweitausender Jahren vom Niederländer Jan Tops begründete Global Champions Tour, gleichfalls basierend auf dem Vorbild der Formel I, hat der Riderstour frühzeitig und kraftvoll den Rang abgelaufen. Tops schaffte es, den Spartensender Eurosport für die Qualifikationen, das Finale und die Playoffs zu gewinnen. Mit rund 35 Millionen Euro Jahresdotierung ist die Attraktion quasi unschlagbar.
Sagen wir mal so: Die Riderstour als Opfer der Global Tour zu bezeichnen, wäre wohl übertrieben. Jan Tops, der seit den Anfängen allein das Sagen hat, war dem Duo Schockemöhle/Aufrecht überlegen. Was er sich in den Kopf gesetzt hat, das verwirklicht er – ohne jede Rücksicht auf andere. Die Aktiven wiederum folgen dem Lockruf des Geldes nur zu gerne. Als weltweit attraktive Serie hat sich die Global Tour längst etabliert.
Dass man jetzt der Riderstour notgedrungen eine „Auszeit“ verschreibt, verwundert nicht, sondern leuchtet ein – und das nicht nur mir. In wirtschaftlich schwieriger Zeit sind viele Unternehmen nicht bereit, Sponsoren zu sein für Serien wie die Riderstour. Die Imageprobleme unseres Sports kommen erschwerend hinzu. Außerdem haben wir in Deutschland über die Jahre einst namhafte Turniere verloren, denken nur an München, Hannover, Bremen, Offenburg, Nörten Hardenberg und manch andere.
Ich sag’s hier frank und frei, auch wenn’s mir keinen Spaß macht und es manche meiner Leser nicht gerne hören: Ich sehe für die Riderstour keine Zukunft. Der Zug ist abgefahren, die Entwicklung des Springsports über diese einstmals verlockende Idee hinweggegangen. Ich unterstelle Paul Schockemöhle und Uli Kasselmann, dass auch sie das wissen. Also wäre es ehrlicher von ihnen gewesen, das traurige Ende zu verkünden und damit einzugestehen, dass die Riderstour nur noch eine schöne Erinnerung ist.