Zu den Herausforderungen der klassischen Reitkunst gehört es auch, einem noch jungen, verunsicherten Pferd das Vertrauen und die Ruhe zurückzugeben. Das hat soeben, 10.10 Uhr an diesem Samstag, Sönke Rothenberger auf seinem erst neunjährigen Fendi überzeugend demonstriert. Vor zwei Tagen ging das Debüt der beiden im Grand Prix von Aachen ziemlich daneben – heute konnte der 28-Jährige sein gutes Konzept, nämlich defensiv zu agieren, keinen Druck auszuüben, goldrichtig umsetzen. 74,830 Prozentpunkte sind der verdiente Lohn. Chapeau!
Sichtlich erleichtert und froh, dass er die richtige Strategie angewandt und umgesetzt hatte, sagte Sönke nach seinem Ritt: „Wir haben mit den Bundestrainern entschieden, dass wir gestern am Übergang vom Grand Prix zum Spezial heute ein ruhiges Training machen. Wir wollten mein Pferd keinesfalls müde machen, sondern ihm in erster Linie das Vertrauen zurückgeben. Wir haben im Dressurstadion trainiert, wo er am Vortag zum ersten Mal war und ziemlich nervös wurde. Monica Theodorescu hat zu mir gesagt, es geht ja nicht darum, dass ich in diesen Tagen in der Soers mein letztes Turnier habe, sondern Fendi und ich stehen ja erst am Anfang. Jeder kann ja sehen, was Fendi für ein Potential hat.“
Auch Monica Theodorescu und ihrem Trainerteam war die Erleichterung am Ende dieses geglückten Rittes deutlich anzusehen: „Sönke hat das heute ganz toll gemacht. So hatten wir es abgesprochen, nämlich keinen Druck auf das Pferd auszuüben, sondern ihn ruhig und konzentriert vorzustellen. Das ist geglückt. Fendi ging ohne Fehler, Sönke hat ihn sehr gut vorgestellt. Jeder hat gesehen, was in den beiden steckt. Wir alle sind sehr zufrieden.“
Meine Frage an Sönke: „Und morgen die Kür?“ Antwort: „Ich muss jetzt erst einmal abwarten, wie der Spezial verläuft. Nur die besten drei einer Nation dürfen starten. Wenn ich unter den dreien sein sollte, werde ich die Kür reiten – es ist ja die Kür von Cosmo. Wenn nicht, dann ist es für uns auch ok.“
Nochmal sei’s gesagt: Aus diesem Holz sind Spitzenreiter geschnitzt. Nach schwierigen Ritten mit Fehlern und einem Misserfolg nicht aufgeben, sondern klar und selbstkritisch analysieren, die richtigen Schlüsse ziehen und mutig wieder in den Sattel steigen. Wer auf die deutsche Dressurequipe anno 2023 schaut, der erkennt, dass es nicht allzu gut bestellt ist.
Jessica von Bredow-Werndl ist die klare Nummer eins, aber dann wird’s schon eng: Ingrid Klimke und ihr Franziskus fallen erst einmal aus. Isabell Werth und ihr Quantaz können nicht um die Medaillen ganz oben mitreiten. Gottlob präsentiert sich der junge Fendi so, dass man ihm das Prädikat Zukunftspferd zuschreiben kann. Womöglich aber kommt die Championatsweihe, die sich abzeichnet, um einiges zu früh.
Natürlich ist Frederic Wandres aus dem Stall Kasselmann eine Stütze des Teams, auf die man nicht verzichten kann. Seine Erfolge in der Soers sprechen für sich. Vergessen wir nicht: In Paris 2024 dürfen nur drei Pferde pro Nation antreten, Streichresultate gibt es nicht mehr – alles zählt, jede Kleinigkeit. Leicht wird es also nicht werden. Sönke Rothenberger hat heute gezeigt, dass auch er für das Team unverzichtbar ist.