In gut einer Woche trifft sich die Reiterwelt in den Leipziger Messehallen. Alle freuen sich, dass es nach den Ausfällen der letzten beiden Jahre wegen der Pandemie diesen weltweiten Klassiker in der Halle wieder gibt. Im Dressurfinale, das es seit 1985 gibt, stehen 18 Aktive aus 13 Nationen auf der Meldeliste, im Springen, das 1978/79 seine Premiere erlebte, sind es 36 Aktive aus 19 Ländern.

Der legendäre Reiner Klimke und sein Wallach Ahlerich, die Olympiasieger von Los Angeles 1984, inspirierten seinerzeit den Niederländer Joep Bartels zu der Idee, eine weltweite Hallenserie zu kreieren, in deren Mittelpunkt das Kürreiten stehen sollte. Bartels meinte – übrigens früher als viele andere – die Zukunft der Dressur liege nicht in den fest vorgegebenen Aufgaben, sondern in der Kür mit Musik, wo alle Reiterinnen und Reiter die Stärken ihrer Pferde und ihre eigene Kreativität in den Vordergrund rücken könnten. Heute wissen wir, dass diese anfänglich nicht gerade bejubelte Idee ihren Praxistest längst bestanden hat – die Kür ist seit langen Jahren der Höhepunkt und Abschluss bei allen großen und wichtigen Championaten.

Seit heute finden sich im Internet die sogenannten Entries für das Weltcupfinale, das am Mittwoch kommender Woche in Leipzig beginnt. Aufgrund der nach wie vor schwierigen Umstände wegen der Pandemie, aber auch, weil die Reiter aus Übersee ihren Saisonhöhepunkt bei der Weltmeisterschaft Mitte August im dänischen Herning sehen, kommt es auf dem Dressurviereck nicht zu dem, was man ernsthaft „die Revanche für Tokio“ nennen könnte. Jessica von Bredow-Werndl, die Olympiasiegerin, hat ihre Dalera für Leipzig qualifiziert und genannt. Die 36-Jährige, die im August ihr zweites Kind erwartet, also nicht an der WM starten kann, möchte „wenigstens“ das Weltcupfinale zum ersten Male gewinnen, nachdem sie bereits dreimal Dritte war.

Isabell Werth, die im Vorfeld erklärt hat, sie würde „Jessica, als als Favoritin antritt, gerne ein bisschen ärgern“ – natürlich nur auf dem Viereck – hat 1991/92 das Cupfinal erstmals gewonnen, insgesamt fünfmal, zuletzt dreimal in Folge auf Weihegold, nämlich bei den letzten Finals 2017, 2018 und 2019. Passend dazu wird’s in Leipzig der letzte Start für Isabell Werth und die 14-jährige dunkelbraune Stute geben – den Abschied dieses Erfolgsgespanns von der Weltbühne der Dressur.

Beim ersten Blick auf die Nennungsliste stechen gleich mehrere Fakten ins Auge: Charlotte Dujardin aus England fehlt. Aus den Niederlanden fehlen Peter Minderhoud und Edward Gal; auch die starken US-Reiter lassen sich entschuldigen, haben wie gesagt nicht aufs Finale gesetzt. Dafür allerdings erleben wir – sofern es keine kurzfristigen Änderungen gibt – die drei dänischen Damen Catherine Dufour, Carina Krüth und Nanna Merrald. Kein Zweifel, dieses Trio möchte ein starkes Zeichen in Richtung der WM in eigenen Land senden. Für England tritt die smarte Charlotte Fry an, der man eine Kürmedaille zutrauen darf, gleiches gilt auch für Helen Langehanenberg, die 2013 in Göteborg, damals auf Damon Hill, ihren Finalsieg schaffen konnte.

Jetzt der Blick zum Springen. 1979 siegte im ersten Cupfinale der für Österreich startende Hugo Simon auf dem Fuchs Gladstone – ein Weltklassepferd aus dem Nachlass des 1977 tödlich verunglückten Hartwig Steenken. Auf den ersten deutschen Finalerfolg mussten die Fans bis 1993 warten: Ludger Beerbaum und Ratina glänzten – ebenfalls im Scandinavium von Göteborg. Der nächste Finalsieger war 2002 Otto Becker auf seinem Dobels Cento, übrigens in den Leipziger Messehallen. Ein Jahr später stand Marcus Ehning auf Anka ganz oben, ebenso 2006 in Kuala Lumpur.

Meredith Michaels-Beerbaum siegte erstmals 2005 in Las Vegas, natürlich auf Shutterfly, 2008 und 2009 siegte sie erneut, damals in Göteborg und ein zweites Mal im Spielerparadies in der Wüste von Nevada. Es dauerte bis 2014, ehe man den nächsten deutschen Erfolg feiern konnte: Daniel Deußer und sein Cornet d’Amour glänzten im Finale von Lyon. Aktuell für Leipzig: Steve Guerdat siegte mit Alamo beim zuletzt ausgetragenen Finale 2019 in Göteborg. Er tritt also kommende Woche als Titelverteidiger an. Nächstes Jahr, wenn nix dazwischen kommt, geht das Finale nach Ohaha/Nebraska und 2024, also im Jahr der Spiele von Paris, ins arabische Riad.

Schaut man auf die jetzt veröffentlichte Meldeliste, so fällt auf: Die britischen Profis Scott Brash und Ben Maher fehlen, ebenso Peder Fedricsson aus Schweden, aus Frankreich kommt nur Gregory Cottard, für die Niederlande nur Harry Smolders, aus Belgien nur Jos Verlooy, dafür startet der legendäre John Whitaker für das britische Empire. Für Deutschland haben sich Altmeister Marcus Ehning, Christian Kukuk, Gerrit Nieberg, David Will und Philipp Schulze Topphoff qualifiziert. Deußer und Ahlmann und Europameister Thieme, der in den USA „überwintert“, hatten ihren Fokus nicht besonders stark  auf Leipzig gerichtet. Dafür kommen Martin Fuchs und Steve Guerdat aus der Schweiz, beide im Kreis der Favoriten. Das gilt wohl auch für den ausgebufften US-Profi McLain Ward.

Ob Dressur oder Springen – in Leipzig dürfen wir spannende Wettkämpfe erwarten. Vielleicht machen ja Reiter*innen und Pferde auf sich aufmerksam, die wir heute noch gar nicht auf dem Zettel haben.