Liebe Leserinnen und Leser: Ich werde das Gefühl nicht los, dass uns diese französischen Springprofis bei den Olympischen Spielen in ihrer Hauptstadt eine ziemlich lange Nase drehen werden. Wetten, dass? Wobei nicht nur ein deutsches Trio, wie immer es heißen wird, das Nachsehen haben wird, sondern die versammelte Elite. Sie fragen zurecht, wie ich darauf komme? Ganz einfach: Wenn etwa Julien Epaillard antritt, der seine Pferde konsequent ohne Hufeisen reitet, dann brennt die Luft. Aber gestern Abend in Leipzig, Epaillard war gar nicht am Start, siegte in der Qualifikation zum morgigen Weltcupspringen halt ein anderer Julien – Anquetin mit Namen. So schnell geht das.
49 Pferde waren am Start über diesen schweren Kurs von Frank Rothenberger und seinem Team. Dotierung stattliche 105 000 Euro. Wertung nach Fehlern und Zeit. 13 Pferde blieben fehlerfrei und in der Zeit. Lange führte der Badener Hansi Dreher auf seinem 15-jährigen Vestmaille des Cotis. ein Wallach vom berühmten Baloubet de Rouet. Resultat 60,51 Sekunden. Bis gegen Ende des Feldes der bereits lobend erwähnte Julien Anquetin auf dem 13-jährigen Blood Diamant du Pont kam: fehlerfrei in 58,58 Sekunden. Siegprämie für den Franzosen: 26,375 Euro. Platzprämie für Hansi Dreher: 21 100 Euro.
Kommentar des Franzosen: „Ich werde am Sonntag versuchen, noch ein paar Weltcuppunkte zu ergattern. Danach habe ich alle weiteren Stationen auf dem Plan. Ich versuche unbedingt, mit meinen beiden Toppferden genügend Punkte für das Finale in Riad zu sammeln.“ Ein ehrgeiziges Vorhaben, denn aktuell hat dieser Julien, die Nummer 69 der Weltrangliste, nur zehn Pünktchen auf seinem Konto. Wir werden ihn auf jeden Fall im Auge behalten.
Unser Freund Hansi Dreher aus Eimeldingen gab folgenden Kommentar: „Es waren heute die beiden Linkswendungen, in denen ich Zeit verloren habe. Aber ich bin deswegen nicht böse oder enttäuscht. Alles gut. Am Sonntag muss ich erst einmal fehlerfrei bleiben. Wenn ich ins Stechen komme, werde ich wahrscheinlich nicht Zweiter werden!“ Dabei hat Hansi gelacht. Immerhin. Auch in der Schleyerhalle verpasste Hansi den möglichen Sieg wegen einer Wendung, die ihm nicht optimal glückte. Morgen also reitet Dreher sein Toppferd Elysium. Welches Pferd er zum Finale nach Riad mitnimmt, ist noch offen. Drehers Vorteil gegenüber Julien Anquetin: Der Profi vom Gestüt Grenzland hat seinen Startplatz bereits sicher.
Platz drei ging gestern Abend an den Schweden Peder Fredricson auf dem Zangersheide-Hengst Vroom de la Pomme. Prämie 15 825 Euro. Mit 47 Zählern hat auch der Mannschafts-Olympiasieger und -Weltmeister seinen Startplatz in Riad schon sicher. Erfreulich auf Platz vier: Jana Wargers auf Dorette, Prämie 10 550 Euro. Wenn ich es recht sehe, dann schont Jana ihren Limbridge in Absprache mit Otto Becker. Wahrscheinlich geht der Holsteiner, gezüchtet von Ralf Pawlowski in Heidenheim, erst in der Grünen Saison zum Einsatz.
Es gibt halt Pferde, die sind nicht für die Hallen geboren. Dazu gehört, wenn ich es recht sehe, auch der berühmte „C Vier“, der unter der für Israel reitenden Amerikanerin Isabella Russekoff bereits in Basel, gestern Abend aber auch Leipzig zeigte, dass er seinen eigenen Kopf hat – zu stark für diese zierliche junge Frau, die nicht die Pilotin, sondern nur die Passagierin ist: 28 Strafpunkte.
Nicht zu vergessen: Platz zehn für die aufstrebende Teike Carstensen auf der zehnjährigen Holsteiner Stute Greece, Prämie 2637,50 Euro. Marcus Ehning wurde auf dem elfjährigen Schimmel DPS Revere (mit Dobels Cento im Stammbaum) 18. Daniel Deusser mit dem zehnjährigen Hengst Otello von seinem Tobago Z landete auf Rang 23. Apropos Daniel. Sein Sieg im Eröffnungsspringen auf einem Wallach namens Gangster brachte der Stallkasse 2500 Euro, für den Sieg im Idee-Kaffee-Preis gab’s weitere 7500 Euro. (Hansi Dreher mit Cous Cous auf Rang zwei, Prämie 6000 Euro). Salopp gesagt: Kleinvieh macht auch Mist!
Heute gab’s Leipzig von 16 Uhr an im Dritten TV-Programm des MDR. David Will als Co-Kommentator sah seinen „C Vier“ unter Isabella Russekoff, sagte tatsächlich, er freue sich über das Wiedersehen mit seinem ehemaligen Erfolgspferd. Doch wie schon gestern Abend – der starke Holsteiner ließ seiner schmalen Reiterin einmal mehr keine Chance: Aufgabe! Letzter Platz. Wirklich schade. Schade auch, dass man in diesem Springen einige Bilder sah, auf die man gerne verzichtet hätte: Stilistisch feines Reiten ist leider nicht jedermanns Sache – die Betonung auf „Manns“.
An der Spitze des Championats von Leipzig, dotiert mit 90 000 Euro, die 29-jährige Kendra Claricia Brinkop, eine Schülerin von Marcus Ehning in den Diensten des belgischen Stalles Stephex, auf Do it easy. Fehlerfrei im Stechen der besten neun von 44 Pferden. 41,13 Sekunden. Siegprämie 22 500 Euro. Chapeau! Platz zwei für Jana Wargers mit Rockwell, 41,27 Sekunden. Prämie 18 000 Euro. Rang drei für Daniel Deusser, den Stallkollegen der Siegerin, auf Gangster. Prämie 13 500 Euro.
Ein schöner Erfolg also für Otto Becker und seine Armada. Morgen gibt’s das mit Spannung erwartete Weltcupspringen. Es gilt vielen Aktiven als Gradmesser für die Richtung in den kommenden Wochen: Sehen sie echte Chancen auf das Finale in Riad oder müssen sie dieses Ziel aus ihren Plänen streichen.