Der internationale Turniersport läuft „volle Fahrt voraus!“ wie es in der Seemannssprache so knackig heißt. Alle drei olympischen Disziplinen steuern auf den „Tschio“ in Aachen zu, wo es traditionell auch die Nationenwertungen gibt in Dressur, Springen und Vielseitigkeit – ein Fingerzeig, nicht nur aus deutscher Sicht, wer bei den Weltmeisterschaften in Herning Mitte August (Springen und Dressur)  sowie in Pratoni del Vivaro bei Rom Mitte September (Vielseitigkeit) die Farben seines Landes vertreten darf. Die aktuellen Weltranglisten spiegeln die Lage wieder: Es zeigen sich Licht und Schatten.

Beginnen wir diesmal mit dem Springreiten: Der Eidgenosse Martin Fuchs steht an Nummer eins, hat den Schweden Peder Fredricson von der Spitze verdrängt; sein Landsmann Henrik von Eckermann ist neu auf Platz zwei. Seit ihrem Olympiasieg in Tokio haben sich die Schweden an der Spitze der Weltrangliste festgesetzt. Bester deutscher Reiter ist Daniel Deusser auf Rang neun – der einzige aus dem Spitzenkader unter den ersten zehn.

Als zweitbester „Jockey“ aus dem Kreis um Otto Becker ist Christian Ahlmann auf Rang zwanzig. Dabei empfiehlt es sich, sogleich eine andere wichtige Rangliste zurate zu ziehen, nämlich den Punktestand in der Global Champions Tour. Sie fragen weshalb? Ganz einfach: Christian Ahlmann steht nach sieben von 15 Stationen mit 148 Punkten ganz oben. Dass diese lukrative Serie für Christian zumeist Vorrang genießt, wissen wir schon lange. Auch andere unserer Springreiter bevorzugen die attraktiven Angebote  des Niederländers Jan Tops: Christian Kukuk (Rang 6), sein Chef Ludger Beerbaum (Rang 9), Daniel Deusser (Rang 15), Philipp Schulze Tophoff (35).

Zurück zur Weltrangliste Springen: Marcus Ehning ist leicht zurückgefallen, belegt jetzt Platz 28. Europameister Andre Thieme ist von 52 auf 30 vorgerückt. David Will rutscht von Platz 18 auf 31 zurück. Der Verlust seines „C-Vier“ wird ihn wohl weitere Plätze kosten, wenngleich sein Sieg im Großen Preis von Wiesbaden noch nicht „eingepreist“ ist. Christian Kukuk folgt auf Platz 41 – mehr deutsche Springreiter gibt es nicht unter den ersten fünfzig!

Noch kritischer sieht die aktuelle Lage bei den Buschreitern aus: Unter den führenden zehn wimmelt es nur so von Briten und Neuseeländern: Oliver Townend bleibt an der Spitze mit 618 Punkten, gefolgt von „unserem“ Michael Jung mit 492 Zählern. Dann folgt leider lange niemand – erst auf Rang 26 entdecken wir Ingrid Klimke, die bekanntlich mit viel Pech in die WM-Saison gestartet ist. Julia Krajewski, die Olympiasiegerin, ist von Rang 31 auf 34 gerutscht, Sandra Auffarth von 37 auf 40. Mehr ist nicht unter den ersten fünfzig. Das sind aus meiner Sicht zu wenige. Das sollte in dieser WM-Saison besser werden.

Zugegeben, wenn mir jetzt jemand sagt: Aber hallo, wenn wir, wie in Tokio, am Ende die Olympiasiegerin stellen, oder wie im Fall Andre Thieme den Europameister, dann ist mir die Weltrangliste wurscht! Tja, diesem Argument gebe ich recht, allerdings mit einer Einschränkung: Die Weltranglisten zeigen, wer sich auf dem Weg zur Weltspitze befindet, wie viele jüngere Talente sich mit Fleiß und Talent nach vorne arbeiten. Und wo auf nationaler Ebene etwas getan werden muss, gerade im Hinblick auf die großen Championate und die Spiele von Paris 2024.

Die aktuelle Weltrangliste der Dressurreiter*innen sollte man mit offenem Blick lesen: Jessica von Bredow-Werndl, die im August ihr zweites Kind erwartet, steht mit 3149 Punkten nach wie vor deutlich an der Spitze. Es folgen die Dänin Catherine Dufour mit 2829 Punkten und die Britin Charlotte Dujardin mit 2781. Isabell Werth belegt mit der abgetretenen Stute Weihegold Rang vier vor der Dänin Carina Krüth, dahinter auch Rang sechs mit ihrem Quantaz.

Rang sieben hält der Niederländer Peter Minderhoud, der seinen Startverzicht bei der WM bereits angekündigt hat. Auch sein Partner Edward Gal wird, wie berichtet, der WM fernbleiben. Ich erinnere an dieser Stelle gerne noch einmal an folgende Regel: Wer als Nation seinen Startplatz bei den Spielen in Paris 2024 frühzeitig ganz sicher buchen möchte, der muss bei der WM in Herning mindestens Rang fünf belegen. Ansonsten bleibt ihm nur noch die EM 2023 in Riesenbeck, wo man das Versäumte mit den Plätzen eins bis drei unter den bis dato noch nicht qualifizierten Teams nachholen kann.

Letzter Blick auf die Dressur-Weltrangliste: Frederic Wandres (16. Rang mit Duke of Britain), Dorothee Schneider (19. Platz mit Faustus), Helen Langehanenberg (21. mit Annabelle), Frederic Wandres (23. Platz mit Bluetooth), Jessica von Bredow-Werndl (24. Platz mit Ferdinand), Fabienne Müller-Lütkemeier (35. mit Valesco) und Matthias Rath (46. mit Destacado). Ich bin gespannt, wen Monica Theodorescu und der Dressurausschuss für Aachen nominieren werden. Erfahrungsgemäß wird dieses Quartett das Team für die WM sein; an diesem Wochenende fällt bei der DM in Balve wahrscheinlich eine Vorentscheidung.