Während die internationale Reiterwelt gestern auf den spannenden Ausgang der Buschreiter-EM in der Normandie schaute, gab’s in London die zwölfte von 15 Stationen auf der Global Champions Tour. In der künstlich aufgebauten, offenen Arena beim Medical Center war der Große Preis mit 350 000 Euro ausgestattet. Die Siegprämie von 115 500 Euro ging an Jessica Springsteen mit ihrem Olympiapferd von Tokio, dem 14-jährigen Belgier Don Juan. Es war der erste Sieg der 31-jährigen, seit sie auf der Tour mitreitet. Die angereisten Deutschen gingen gestern leer aus. 

Jessica Springsteen stammt aus reichem Haus, ihr Vater Bruce ist der berühmteste Alt-Rocker der Welt – aber ihre Pferde wissen von all dem nichts. Als Jessica vor zwei Jahren von ihrem Teamchef Robert Ridland für das olympische Turnier in Tokio nominiert wurde, da dachte sich manch einer im Geheimen, man habe der Tochter von Bruce Springsteen irgendwie einen Gefallen tun wollen. Völlig falsch! Dass das US-Trio am Ende die Silbermedaille gewann, war auch den starken Ritten von Jessica zu verdanken. Seit Jahren trainiert sie bei Laura Kraut, längst eine Legende der US-Springreiterei.

Gestern in London standen 38 Pferde auf der Startliste, fünf Reiter gaben im Umlauf auf, darunter Gerrit Nieberg mit Ben und John Whitaker mit Unick du Francport. Zehn Pferde dann im entscheidenden Stechen – kein deutscher Gast dabei. Das sah man selten in dieser Saison der Global Tour. Jessica Springsteen, aktuell die Nummer 187 der Weltrangliste, siegte hochverdient nach 43,01 Sekunden.

Ihr Reitstil erinnert an die klassische amerikanische Springschule, die Reiter wie Bill Steinkraus und der legendäre Trainer Bertalan de Nemethy (von Hause aus ein Ungar) geprägt haben: Dynamisches Vorwärtsreiten im straffen Galopp, dabei die Distanzen stets nach vorne ausgleichen – das Rückwärtsreiten sieht man bei den US-Reiter so gut wie nie. Dass die 31-Jährige strahlte vor Glück und das Londoner Publikum quasi im gestreckten Galopp für sich gewann, klare Sache. Mein Kompliment an Jessica!

Ihr Erfolg zählt umso mehr, wenn man liest, wen sie alles hinter sich gelassen hat: Oliver Philippaerts mit Miro auf Platz zwei, Prämie 70 000 Euro, dahinter Harrie Smolders, der Sieger von Riesenbeck, auf Monaco, Prämie 52 000 Euro. Platz vier für den Belgier Niels Bruynseels auf Dlux, Prämie 35 000 Euro, Rang fünf für den besten Briten, Oliver Fletcher auf Hello William, Prämie 21 000 Euro. (Ob mit „Hello William“ wohl der aktuelle britische Thronfolger gemeint ist?)

Aus deutscher Sicht war dieser Große Preis auf der Global Tour ein gebrauchter Tag: Hansi Dreher und sein Schimmel Elysium als bestes Paar nach einem Abwurf auf Rang 16. Das kommentiert sich selbst. David Will mit My Prins auf Rang 23, Christian Kukuk mit Mumbai auf Rang 25, gleicht dahinter Christian Ahlmann mit Mandato. Mehr ist nicht zu sagen. Tja, solche Tage gibt es.

Auf der aktuellen Punkteliste führen weiterhin Maikel van der Vleuten vor Harrie Smolders und Christian Kukuk. Dahinter folgen Simon Delestre, Henrik von Eckermann und Pieter Devos. Jessica Springsteen ist auf Rang 40 vorgerückt, hat durch ihren Sieg den Startplatz im Finale in Prag sicher. Die nächsten drei Stationen vor diesem mit Millionen dotierten Finale sind Valkenswaard, Rom und Riad.

Kurz nochmal zur EM der Buschreiter in der Normandie: Kitty King, die gestern Silber in der Einzelwertung und Gold mit dem Team gewann, ist keineswegs die Tochter der früheren britischen Topreiterin mit Namen King! Diese hatte, viele erinnern sich gewiss, im Herbst 2010 mit miesem Vorgehen versucht, Michael Jungs Toppferd Sam für sich kaufen zu lassen. Also liebe Kitty King, ich bitte um Entschuldigung für meinen Fehler!