Die Nachricht des Tages aus dem Lager der Buschreiter: Julia Krajewski, die Olympiasiegerin von Tokio und ihre Siegerstute, werden nicht an der Europameisterschaft in Haras du Pin teilnehmen – Mandi laboriert an einem Hufproblem. Der zweite Teil dieser wichtigen Nachricht: Julia Krajewski steht mit ihren beiden neunjährigen Nachwuchspferde Nickel und Ero de Cantraire vor dem Gewinn ihrer dritten deutschen Meisterschaft nach 2018 und 2019. In der Heide demonstriert die 35-Jährige an diesem Wochenende ihre Reitkunst im Wettkampf sowie die hohe Qualität in der Ausbildung junger Pferde. Chapeau!

Bei der Direktübertragung des NDR aus Luhmühlen sagte Bundestrainer Peter Thomsen: „Wir dürfen zur EM in Frankreich ein Team mit vier Aktiven sowie zwei Einzelreiter nominieren. Gesetzt ist jedoch keiner. Natürlich haben so erfahrene Reiter wie Michael Jung, Julia Krajewski und Sandra Auffarth einen Vorteil. Aber entscheidend ist die Reservebank.“ Was der Bundestrainer damit meinte, frei übersetzt: Der FC Bayern München wird deutscher Meister, weil der Topleute auf der Bank sitzen hat. So ähnlich sieht Peter Thomsen seine Situation.

Gleichwohl, so denke ich, hat er gestern zumindest zwei Dämpfer hinnehmen müssen: Julias Topstute fällt wohl für den Rest der Saison aus. Und Ingrid Klimkes Versuch, mit Siena just do it wieder Anschluss an die Spitze zu finden und sich eine Option auf die EM offen zu halten, ist gescheitert: Die Reitmeisterin und ihre elfjährige westfälische Stute patzten an der kniffligen Zweier-Kombination auf dem Turnierplatz von Luhmühlen – die 55-Jährige stürzte vom Pferd, verließ die Arena scheinbar unverletzt: Im Krankenhaus ergab jedoch die erste Untersuchung, dass sich Ingrid Klimke das Schlüsselbein gebrochen hat. Sie muss in den nächsten Tagen in Münster operiert werden, wie das DOKR am Abend mitteilte. Ihr Start beim CHIO in Aachen ist unmöglich. Wer für sie ins Nationenpreisteam nachdrückt, ist gegenwärtig noch offen: Entweder Sönke Rothenberger oder Matthias Rath.

Vermutlich verläuft die EM-Saison 2023 für Ingrid Klimke ähnlich wie die WM-Saison 2022: Ihre Konzentration auf die Dressur und ihren Franziskus zahlt sich aus, die Buschreiterei rückt zugleich in den Hintergrund. Michael Jung, Sandra Auffarth und Christoph Wahler mit seinem WM-Pferd verzichteten auf diese DM 2023 in der Heide, wollen in Aachen ihre Chancen suchen.

Im Blickpunkt dieser Tage von Luhmühlen steht für mich eindeutig Julia Krajewski. Schon vor einiger Zeit hat sie Michael Jung als besten deutschen Buschreiter auf der Weltrangliste verdrängt. Jetzt unterstreicht die Warendorferin einmal mehr ihre internationale Klasse als Ausbilderin von Nachwuchspferden. Der französische Hengst Ero de Cantraie aus dem Besitz von Julias Förderer Professor Bernd Heike ging als Fünfter vom Dressurviereck mit 30,2 Minuspunkten, blieb im Gelände ohne Fehler – Julias Ritt eine Demonstration nahezu perfekten Reitens!

Gleiches gilt für den ebenfalls erst neunjährigen Holsteiner Nickel, der mit 26,7 Punkten Platz zwei belegte auf dem Viereck und vorhin im Gelände nur um 0,8 Punkte zu spät über die Ziellinie galoppierte. Julias Kommentar: „Ich wollte es ganz bewusst ruhig angehen lassen mit diesen beiden Nachwuchspferden. Schließlich ist Luhmühlen mit seinen vielen Zuschauern und der besonderen Atmosphäre für sie etwas ganz Neues. Aber beide Pferde haben mich mehr als überzeugt. Ich hoffe, dass wir morgen im Parcours fehlerfrei bleiben.“ Wie Julias reiterliche Qualitäten nicht zuletzt im Springen zur Geltung kommen, hat man eindrucksvoll in Tokio gesehen.

Morgen im Finale von Luhmühlen liegt sie auf Nickel mit 27,5 Punkten ganz vorne, gefolgt von Ero de Cantraie mit 30,2. Calvin Böckmann überzeugte auf seine, Phantom der Oper mit 31,8 Punkten gleich dahinter. Christoph Wahler und sein D’Accord belegen mit 34,4 Zählern vorläufig Platz vier. Fünfte ist lara de Liederkerke-Meier aus Belgien auf Hermonie (35,0).

Wichtig zu wissen: In dieser Vier-Sterne-Prüfung, dotiert mit 20 000 Euro, ist die deutsche Meisterschaft integriert. Auf den Gewinner warten bescheidene 6000 Euro, für Platz zwei gibt’s 4600 Euro, für Rang drei 2600 Euro. 47 Pferde waren am Start, ins Ziel kamen 32. Unter den Ausfällen waren die Dressurbeste Mollie Summerland, Susanna Bordone und leider auch Ingrid Klimke.

Die vom NDR leider nicht übertragenen Fünf-Sterne-Konkurrenz, dotiert mit stattlichen 125 000 Euro, wurde bisher dominiert von drei Damen aus dem Beritt unseres Freundes Chris Bartle. Führung für Laura Colett auf London (20,3) vor Kitty King auf Vendredi Biats (26,8) und Weltmeisterin Yasmin Ingham auf Rehy (27,5). Bester deutscher Reiter ist Arne Bergendahl auf Luthien als 20. mit 41,1 Punkten. Emma Brüssau und Dark Desire liegen mit 44,5 Punkten auf Rang 22. Das war’s aus deutscher Sicht.

Insgesamt 41 Pferde waren am Start, 29 sind heute Abend noch auf der Liste, die beiden Vet-Checks bleiben abzuwarten. Übrigens: Für den Sieg gibt es nicht weniger als 40 000 Euro, für Platz zwei gibt’s 30 000 Euro, für Rang drei 20 000 Euro. Chris Bartle und seine britische Armada werden gewiss zufrieden sein, denn in Luhmühlen hat man ihnen tollste äußere Bedingungen geschaffen. Und Longines lässt sich einmal mehr nicht lumpen. Ob man allerdings in der Heide froh ist, nur zwei Deutsche am Start der Fünf-Sterne-Prüfung zu haben, wage ich zu bezweifeln.

Grüße aus Stuttgart – meine Ferien auf Sylt sind vorüber.