Wer den Maimarkt kennt, der weiß: Das Mühlfeld ist ein Wetterloch. So war’s auch heute mal wieder so: Alle freuen sich auf den Preis der Nationen, die Tribünen sind voll. Im VIP-Bereich gibt’s kein Plätzchen mehr. Und dann öffnet der Himmel seine Schleusen. Schade, wirklich schade! Trotz alledem haben wir ein Ergebnis, das in Ordnung geht: Die Niederländer gewinnen vor dem deutschen Quartett und den starken Spaniern. Topfavorit Schweden muss mit Rang neun zufrieden sein. So ist der Sport.

Am Freitag meldet die Deutsche Presseagentur (dpa) im Brustton der Überzeugung: Bundestrainer Otto Becker nominiert Simone Blum für den Preis der Nationen in Mannheim. Doch knapp daneben ist auch vorbei. Richtig war: Otto Becker hatte die Weltmeisterin von Tryon 2018 tatsächlich ins Team berufen und dafür David Will zum Einzelreiter gemacht. Allerdings hatten die Kollegen von der Agentur das Kleingedruckte im Springsport übersehen oder schlichtweg nicht gekannt. Zitat Otto Becker: „Wer am Sonntag tatsächlich reitet, das entscheiden wir aber erst am Samstagabend.“ Kurzum, Simone saß heute nicht auf dem Pferd, sondern auf der Tribüne.

Was brachte der vom SWR live übertragene Preis der Nationen, die zweite Station der „Longines EEF Series 2023“? Vor einer Woche in Gorla Minore, unweit von Mailand, siegten die Franzosen vor den Portugiesen, Belgiern und unserem deutschen Quartett. Heute nun hatten die Holländer, geführt von Vincent Voorn, die Nase ganz vorn vor dem von Bundes-Cotrainer Marcus Döring geführten Deutschen und den bestens aufgelegten Spaniern.

Einmal mehr zeigte sich heute, wie wahr doch die uralten Regeln des Nationenpreises sind: Wer gewinnen will, der braucht Nuller, Nuller und nochmal Nuller! In ordentlichem Deutsch heißt das: Wir brauchen fehlerfreie Ritte, Runden ohne Abwürfe und Zeitfehler. Unsere vier Nachbarn aus Holland schafften sechs Nullrunden und siegten mit der Idealnote null Fehler. Chapeau! Siegprämie 21 000 Euro. Der missratene Schlussparcours des Spaniers Sergio Alvarez Moya, in vielen Schlachten erfahren, schob unsere Equipe auf Rang zwei nach vorne. Prämie für die Spanier: 10 400 Euro.

Otto Becker und sein „Co“ Marcus Döring waren zurecht voll des Lobes: Fünf Nullrunden lieferten Patrick Stühlmeyer, Mario Stevens, Philipp Schulze Topphoff und der Nationenpreisdebütant Stefan Engbers. Zwei Zeitstrafpunkte von Engbers schlugen letztlich zu Buche – andernfalls hätte es ein Stechen gegeben gegen die Niederländer. Otto sagt: „Ich bin sehr zufrieden mit unserer Leistung. Gerade hier in Mannheim testen wir junge Reiter und ihre Pferde. Richard Vogel, der hier Lokalmatador ist, darf in drei Wochen mit zum CSIO nach Rom. Und David Will habe ich nominiert für das CSIO in St. Gallen.“

Und Marcus Döring sagt: „Stefan Engbers hat seine Sache sehr gut gemacht.“ Zwei Nullrunden steuerte Philipp Schulze Topphoff bei, der von sich selbst sagt: „Mit meinen Nerven hab‘ ich keine Probleme!“ Wie dieser junge Mann reitet, das nenne ich „cool und abgezockt“. Aus dem wird mal ein Großer. Prämie für das deutsche Team: 13 000 Euro. Das Publikum drückte feste die Daumen – floh allerdings in Scharen, als der Regen immer stärker wurde.

Die Franzosen, Sieger von Gorla Minore, wenn auch in anderer Besetzung, wurden heute „nur“ Vierte, wieder geführt vom erfahrenen Edouard Couperie. Nur drei Nullrunden und sechs Punkte unterm Strich. Prämie 7000 Euro. Auf Rang fünf die Eidgenossen, Sieger vor einem Jahr an gleicher Stelle nach Stechen gegen unser Team, damals übrigens mit Sophie Hinners. Prämie 4500 Euro. Mit im Schweizer Team Janika Sprunger, die Frau von Henrik von Eckermann. Platz sechs für die Österreicher mit dem erfahrenen Max Kühner, Prämie 3500 Euro. Dahinter die Ungarn, Slowaken, Schweden und Schlusslicht Tschechien.

Apropos Schweden. Beim Blick auf die Startliste war mir und vielen anderen klar: Wenn Henrik von Eckermann und Peder Fredricson, die beiden Team-Olympiasieger und Teamweltmeister antreten, zugleich der amtierende Weltmeister und die Nummer eins der Weltrangliste – wer soll diese Truppe schlagen? Unterm Strich schaffte dieses Quartett nur eine Nullrunde, aber 38 Punkte für Douglas Lindelöw. Für die elegant reitende Erica Schwartz gab’s einen Zeitfehler in der ersten Runde, dazu 21 Punkte in der zweiten. Da passte heute mal gar nix zusammen. Trostpreis 1200 Euro.

Nun, solche Tage gibt’s im Sport. Ich bin wirklich erstaunt, wie wichtig man in den Nationen diese von Longines gesponserte Serie nimmt. 65 000 Euro Dotierung ist ordentlich, aber nicht prickelnd. Gleichwohl, alle haben erkannt, dass diese Serie eine tolle Chance ist, dem talentierten Nachwuchs eine Chance zu bieten. Nächste Station ist das niederländische Peelbergen vom 18. bis 21. Mai, danach folgt das dänische Aalborg vom 25. bis 28. Mai. Wir bleiben gespannt auf den weiteren Verlauf bis zum Finale Mitte September in der polnischen Hauptstadt Warschau.

Morgen und am Dienstag geht’s weiter auf dem Maimarkt. Wünschen wir den Mannheimern, dass sich ihr Ruf als Wetterloch nicht noch weiter verfestigt. Wer’s im Internet noch genauer nachlesen möchte, dem empfehle ich www.longinestiming.com/equestrian Und dem öffentlich-rechtlichen SWR wünsche ich  eine Parallele zum Preis der Nationen: Mehr Chancen für junge Talente in Sachen Moderation von Topereignissen. Da ist leider noch ziemlich viel Luft nach oben.