Diesmal hat er seine Fans nicht enttäuscht: Topfavorit Michael Jung und sein 15-jähriger Hannoveraner  FischerChipmunk haben die internationale Vier-Sterne-Prüfung von Marbach gewonnen – mit einer Schlussrunde als letzter Reiter, die nur 1,6 Zeitfehler kostete. Der Sieg bedeutete zugleich seine neunte deutsche Meisterschaft bei den Berufsreitern sowie die Verteidigung seines achten Titels aus dem Jahr 2022. Kompliment! Rang zwei und zugleich Silber bei den Berufsreitern für Julia Krajewski auf dem erst neunjährigen französischen Hengst Ero de Cantraie. Von den 46 gestarteten Pferden kamen 33 in die Wertung. Übrigens, Marbach blieb diesjahr unfallfrei – ein schöner Wert an sich.

Bereits nach seinem Geländeritt am Samstag, auf dem Michael Jung 6,4 Zeitfehler in Kauf genommen hatte, sagte er vor den Medien im alten Schafstall: „Unsere EM-Saison ist lang. Deshalb hab‘ ich es hier  ruhig angehen lassen.“ Seinen Iren Kilcandra Ocean Power hatte er nach der Wasserkombination aus dem Rennen genommen; er soll nächstes Wochenende im polnischen Baborowko die nächste Vier-Sterne-Prüfung komplett bestreiten. Auch im Schlussparcours mit Chipmunk ließ Michael Jung heute Nachmittag die Uhr eher unbeachtet – 1,6 Zeitfehler brachten ihm unterm Strich 32,3 Strafpunkte, seinen neunten Titel sowie 2700 Euro Siegprämie.

Seinen ersten Titel bei den Berufsreitern gewann Michael Jung 2005 auf Miss Meller, damals schon in Marbach. Weitere Titel folgten 2010, 2011 und 2012. Weiter ging’s 2015, 2017 2021 mit Chipmunk und 2022 mit Hightlighter. Die Marbacher haben also seit knapp zwanzig Jahren das Vertrauen des Deutschen Reiter- und Fahrerverbandes sowie dessen Fachgruppe Vielseitigkeit und deren Fachgruppe Berufsreiter. Das darf man an dieser Stelle auch einmal erwähnen.

Welche Klasse Julia Krajewski verkörpert, wenn es um die Ausbildung von Nachwuchspferden geht, das wissen wir schon lange. Herausragendes Beispiel ist ihre Mandi, die Siegerstute von Tokio 2021. Fast schon so sicher galoppiert der neunjährige französische Hengst Ero de Cantraire durchs Gelände, top konditioniert, stets leicht und sicher an der Hand und an den Hilfen, geschickt am Sprung. Julia zeigte heute eine blitzsaubere Nullrunde im Parcours.

Insgesamt sah man im Finale nur fünf Nullrunden, zwei davon zeigte der erfahrene Japaner Yoshiaki Oiwa mit Calle und No Fear JRA. Das waren am Ende für ihn die Ränge zehn und zwölf. Prämie 250 Euro für beide. Ich erinnere mich noch recht gut an London 2012, wo Oiwa sensationell die Dressur gewann, später aber im Busch scheiterte an dem berüchtigten Tiefsprung.

Das eher bescheidene Preisgeld in Marbach betrug 10 000 Euro. Julia Krajewski bekam 2300 Euro, Malin Hansen-Hotopp erhielt für ihren Rang drei auf dem elfjährigen Holsteiner Carlitos 1500 Euro. Für unser Geschichtsbuch halten wir fest: Andrew Hoy, die australische Legende, gewann mit Cadet de Beliard die Zwei-Sterne-Prüfung. Sein Landsmann und Silber-Kollege von Tokio, Kevin McNab, ritt in der Marbacher Vier-Sterne gleich drei Pferde, belegte die Ränge acht, elf und 24. Chapeau! Lea Siegl aus Österreich, ebenfalls in Tokio dabei, belegte Rang sieben.

Alles in allem. Über Marbach 2023 wird intern gewiss noch zu reden sein. Liest man die Meldeliste für Baborowko am nächsten Wochenende, wo 100 000 Euro Dotierung locken, so findet man darauf jede Menge deutsche Reiter*innen. Ob der Kurs in Polen leichter zu reiten ist als Marbach, wo’s die erste Hälfte des Kurses bergab geht, die zweite Hälfte bergauf, das vermag ich nicht zu sagen.

Was ich aber sicher weiß, das ist: Wenn Buschreiter meckern und mäkeln hinter vorgehaltener Hand, wenn es sie nicht schert, dass wir in unserem Land in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von guten Veranstaltern verloren haben. Wenn sie also gedankenverloren an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen, dann soll sich, wenn das Kind im Brunnen liegt, wenn also noch mehr Ausrichter aufgeben, am Ende niemand wegducken und mit den Achseln zucken!

Ich bin sehr gespannt, welche Schlussfolgerungen man in Marbach aus dem Event 2023 ziehen wird. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Turnierleiter Dieter Aldinger sagt: „Die Terminplanung für die Buschreiter ist gerade im Mai ziemlich dicht gedrängt. Es finden parallel zu unserem Traditionsturnier einige weitere Events statt. Das ist aus meiner Sicht etwas unglücklich, gelinde gesagt!“ Für das kommende, das olympische Jahr, so Dieter Aldinger, werden sich die Marbacher als Austragungsort für den Longines Nationscup bewerben. Man habe auf der Alb schließlich genug Erfahrung für ein solches Event.“