Die Zeit rast. Soeben hat Europameister Andre Thieme mit seiner Chakaria die „Badenia“ auf dem Mannheimer Maimarkt gewonnen – der Platz auf der ewigen Siegerliste ist dem Profi aus Plau am See sicher, ein Jahr, nachdem Michael Jung auf FischerChelsea diesen Frühjahrsklassiker gewinnen konnte. Apropos Michael Jung. Während der Reitmeister in Marbach wieder einmal brillierte, rüsten sich andere aus dem deutschen Spitzenkader zum WM-Test in Pratoni del Vivaro bei Rom. Man darf gespannt sein, welche Erfahrungen sie dort machen (müssen). Wie auch immer, Dieter Aldinger, der Vorsitzende der IGV, die die Marbacher Vielseitigkeit seit langen Jahren trägt, darf mit dem Marbacher Wochenende mehr als zufrieden sein.

Nach Turnierschluss gab Dieter Aldinger dies zu Protokoll: „Wir haben einen unfallfreien Geländetag hinter uns, das hat für uns alle die oberste Priorität. Wir sahen hervorragenden Sport, zufriedene Teilnehmer, dazu hat auch das Wetter gepasst. Und wir hatten endlich wieder eine große Zuschauerkulisse. Die Resonanz auf unsere Tage hier in Marbach war rundum positiv. Wir bleiben bei unseren Plänen, hier in Marbach eine Vielseitigkeits-EM zu veranstalten. Im Jahr 2027 oder auch 2029 könnten wir und das Haupt- und Landgestüt soweit sein.“ Wie bereits angedeutet, sollen 2023/24 die Bauarbeiten zur Modernisierung von Deutschlands ältestem Staatsgestüt beginnen.

Von Marbach nach Pratoni reist übrigens auch Andrew Hoy, der mit seinen 63 Jahren älteste und erfahrenste Buschreiter der Welt. In Tokio holte er mit seinem Vassily de Lassos Einzelbronze und Teamgold. Über Marbach sagte er: „Ich bewundere Rüdiger Schwarz sehr für diesen clever gestalteten Kurs. Viele meinten, dass die Strecke zu einfach sei, aber die Landschaft verleiht dem Cross Country immer eine zusätzliche Schwierigkeit, die man nicht unterschätzen darf. Mein Pferd ist ein hervorragendes und sehr schnelles Geländepferd Er liebt es, wieder hier in Marbach zu sein und die Hügel rauf und runter zu rennen. Er hat mir einen fantastischen Ritt beschert. Für mich war es ganz besonders, denn seine Besitzer, Paula und David Evans, waren wegen der Pandemie das erste Mal seit zwei Jahren wieder mit bei einem großen Event. Ich danke dem fantastischen Marbach-Team für die harte Arbeit und die großartige Organisation eines so großartigen Events.“ Dieser Andrew Hoy ist eine lebende Legende – nur er und sein Vasily kamen fehlerfrei durchs Gelände der Vier-Sterne-Prüfung! Ich sage voraus: Bei der WM im September ist mit ihm zu rechnen.

Auch mit Michael Jung ist dort zu rechnen, denn sein Auftritt mit FischerChipmunk in Lexington spricht für sich. In Marbach, wo er zum achten Male Deutscher Meister der Berufsreiter wurde, setzte er im Sattel seines Iren Hightlighter auf einen erstaunlichen Test, den er selbst so beschreibt: „Ich war  beeindruckt, dass dieses Pferd am Ende der Strecke noch so gut galoppierte. Auch wenn wir noch zehn Sekunden mehr gebraucht hätten, wäre das für mich ok. gewesen. Ich wollte nicht um jeden Preis gewinnen. Ich bin extra ohne meine Uhr geritten, weil ich wissen wollte, wie meine Pferde hier in Marbach gehen. Ich bin nur so schnell geritten, wie sie es zugelassen haben.“ Seien wir ehrlich: Auf die Idee, dass man die eigentlich unentbehrliche Stoppuhr weglässt, um zu sehen (und wohl auch zu fühlen) wie sich die Pferde im Busch bewegen – auf die Idee muss man erst einmal kommen!“

Zum guten Schluss meiner Marbacher Nachlese sei ein Mann zitiert, den wir alle kennen und schätzen – ein bayerisches Original: Dr. Matthias Baumann, Mannschafts-Olympiasieger von Seoul 1988 und verantwortlicher Veterinär der FEI in Marbach. Sein Fazit: „Die Strecken hier sind sehr harmonisch gebaut und fügen sich wunderbar in die herrliche Landschaft ein. Die Pferde kamen größtenteils noch sehr frisch ins Ziel, nicht eine Verletzung musste behandelt werden.“ Ein besseres Zeugnis gibt’s wohl nicht.

Im fernen Warendorf allerdings hat jemand aus dem Medienteam das mit dem Gelände in Marbach offenkundig völlig missverstanden oder nicht begriffen. Dort hieß es nämlich, das Gelände in Marbach gehe „ständig bergauf“. Mit Verlaub, das ist falsch. Richtig ist: Die erste Hälfte des Kurses führt bergab, phasenweise sogar ziemlich steil, die zweite Hälfte führt bergauf, teilweise sogar giftig bergauf. Am Ende kommt nur sicher und gut ins Ziel, wer sich und sein Pferd gut vorbereitet hat. Zugleich gibt’s Aktive, die Marbach gerade deshalb lieben, weil sich ihre Pferde dort ihre gute Kondition verbessern können zu einer sehr guten Kondition. Ich fänd’s prima, wenn mehr Leute aus Warendorf mal auf die Schwäbische Alb kämen, um zu schauen, wie’s dort oben, auf rund 700 Metern über Meereshöhe, so auf und ab geht.