Eine besonders gute Nachricht der letzten Wochen betrifft aus meiner Sicht die Weltmeisterin von 2018, Simone Blum vom Eichenhof im bayerischen Zolling: Ihre jetzt 16 Jahre alte Siegerstute Alice ist in den internationalen Sport zurückgekehrt. Das ist das Ergebnis von endlosen Mühen, vom Glauben an die Kräfte und den Willen eines Ausnahmepferdes – nicht zuletzt auch von Leidenschaft und Augenmaß für den eigenen Umgang mit den Pferden. Das gilt auch für Simones Berichte und Einschätzungen in Sachen „Runter mit den Hufeisen!“ Höchst aufschlussreich.
In den vergangenen Wochen und Monaten finden sich im hippologischen Internet allerhand mehr oder minder kluge und hilfreiche Texte über diesen sich mehr und mehr verstärkenden Trend im Springsport: Der „Barhuf“, ob groß- oder kleingeschrieben, beschäftigt die Szene, seitdem Henrik von Eckermann auf seinem unbeschlagenen King Edward in Herning Weltmeister wurde. Der Topstar und sein französischer Kollege Julien Epaillard machen das Reiten auf Pferden ohne Hufeisen fast schon zur Glaubensfrage. Offen gesagt, das halte ich für etwas übertrieben.
Mir gefällt besser, was uns Simone Blum in den vergangenen Wochen dazu geschrieben hat. Ich zitiere sie von Instagram: „Zusammengefasst ist es meiner Meinung nach für manche Pferde eine tolle Sache, aber vielleicht eben nicht für alle. Man sollte einen individuellen Plan erstellen für jedes einzelne Pferd und sich auch dem „Aufwand danach“ bewusst sein. Spätestens alle vier Wochen gehen unsere Pferde zur „Barhufpflege“, manch andere noch engmaschiger. Wer meint, durch Barhuf Geld zu sparen, der liegt, so glaube ich, falsch!“
Dieser letzte Satz ist aus meiner Sicht der wichtigste. Simone Blum begründet ihn durch ihren Erfahrungsbericht, den sie übrigens fortsetzen wird. Daraus einige Stichworte: Bei manchen Pferden sei an den Hufen „etwas Horn weggebrochen“. Steiniges Ausreitgelände habe man strikt gemieden. Wenn am Huf etwas mehr weggebrochen sei, habe man das Pferd mit Hufschuhen zur Führmaschine geführt. Andere Pferde hätten „durch Gähnen und Schlecken gezeigt, dass sie das Gehen ohne Hufeisen als entlastend empfinden“.
Nochmal zitiere ich Simone: „Selbst wenn ich bei den meisten Pferden von der Umstellung absolut begeistert bin, bringt es natürlich auch einige Schwierigkeiten: Die Flexibilität, vor allem bei Turnieren auf Grasböden, ist eingeschränkt. Gerade die Beschaffenheit des Bodens auf Turnieren, die man nicht kennt, machen einem Sorgen: Wie ist der Boden beschaffen außerhalb der Stallungen? Ist es sehr steinig auf dem Weg zum Abreiteplatz? Auf was für einem Boden können die Pferde geführt werden?“ Sie wolle, so schreibt Simone, „das Grasproblem mit einem Beschlag mittels geklebten „Eisen“ aus Kunststoff angehen und bei passender Gelegenheit darüber berichten.
Apropos Kunststoff. Ich erinnere mich noch gut an die ersten Versuche in den sechziger Jahren, als man – zunächst auf den Rennbahnen – versuchte, das seit Menschengedenken praktizierte Aufnageln von Hufeisen durch Produkte aus Kunststoff und mit Haftkleber zu ersetzen. Trainer, Jockeys und Besitzer mussten leider mit ansehen, dass diese „Eisen“ durch die enormen Fliehkräfte im Renngalopp früher oder später wegflogen oder im Geläuf stecken blieben. Auch im Turniersport haben diese Versuche damals nicht zum Erfolg geführt. Vielleicht gelingt es ja heute, im 21. Jahrhundert, mit Materialien, die besser geeignet sind. Ich bin gespannt.
Wie auch immer: Ich finde es lobenswert, dass sich und wie sich Simone Blum zu diesem wirklich wichtigen Thema für die Reiterei äußert und positioniert. Kein blankes „Hurra!“, sondern eine differenzierte und kritische Analyse mit offenem Ausgang. Für Simone und hoffentlich für viele andere Aktive, die wir zurecht als Vorbilder betrachten, ist es durchaus eine lohnende Aufgabe: nämlich Vorreiter zu sein im wahrsten Sinne des Wortes. Und regelmäßig via Internet darüber berichten, damit möglichst viele andre daran teilhaben können. Dieser Weg kommt uns allen zugute, in erster Linie unseren Pferden!