Der Wille zum Sieg muss stärker sein als die Angst vor der Niederlage! Man sollte nicht aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen! Diese beiden Volksweisheiten stelle ich bewusst an den Beginn meines Blogs zum Jahreswechsel 2022/23. Wo steht die deutsche Reiterei? Wo steht der weltweite Sport mit den Pferden? Meine selbstkritische These: Wir lassen uns schon seit geraumer Zeit mehr und mehr den Schneid abkaufen. Wir machen es unseren Gegnern viel zu leicht. Dabei ist es an der Zeit, selbstkritisch auf das eigene Tun zu blicken und die Konsequenzen zu ziehen: Aber nicht im Büßergewand, sondern aus Überzeugung, Vernunft und Selbstvertrauen.

Wer nicht nur in seiner Studierstube hockt, sondern sich ab und zu mal in der freien Natur umschaut, dem kann es nicht verborgen bleiben: Immer wieder begegnet man Menschen, zumeist Mädchen oder jungen Frauen, die ihre Pferde am Halfter spazieren führen. Nicht selten sind auch Hunde dabei, die meistens ohne Leine nebenher springen. Mir scheint, da formiere sich eine neue Art des Umgangs mit dem Pferd. Die Mühe, das Reiten zu lernen, oder gar die Mühe, die eigenen Pferde grundsolide auszubilden – zuviel Arbeit. Da spart man sich doch lieber die Kosten für das teure Zubehör. Und natürlich auch den Hufbeschlag. Schließlich braucht ein Pferd, das nur geführt wird, vielleicht auch mal ein bisschen longiert, auch weniger Futter.

Wer mich kennt, der ahnt bereits, was ich von derlei Umgang mit den Pferden halte: Nichts! Es ist nun mal nicht artgerecht für unsere Pferde, wenn man – wie die nimmermüden Aktivist*innen von PETA – das Verbot jeglichen Reitsports verlangt und sie nur noch am Halfter bewegt. Blanker Unsinn! Was im extremen Einzelfall daraus werden kann, wissen wir aus der Schweiz: Eine junge Frau führt ihr Pferd aus dem Stall, möchte mit ihm spazieren gehen. Sie nimmt den Strick zum Halfter fest ums Handgelenk – das Pferd erschrickt, stürmt in Panik davon, schleift die junge Frau zu Tode. Was für eine Tragödie.

Pferde im Freien zu führen ohne Zaumzeug ist blanker Leichtsinn. Und Pferde nicht unter dem Sattel anzureiten und auszubilden, das ist für mich keine artgerechte Haltung. Wohlgemerkt, um mit Pferden sicher ins Gelände zu reiten, sollten sie mindestens bis zur Klasse L ausgebildet sein. Ob sie zum Turnier gehen oder nicht, spielt für mich keine Rolle. Nein, die höchstmögliche Sicherheit bei jeglichem Umgang mit dem Pferd muss im Vordergrund stehen! Ich wünsche mir, dass wir in diesem neuen Jahr 2023 eine offene und kritische Diskussion über die Frage bekommen, wie man im Breitensport mit den Pferden umgeht.

Ja, es stimmt. Das Image des Reitsports hat seit den olympischen Spielen 2021 in Tokio schwer gelitten. Vor allem bei uns in Deutschland. Die grotesken Bilder der Fünfkämpferin Annika Schleu sind noch immer allgegenwärtig – das famose Internet vergisst nichts, wie wir inzwischen wissen. 2024 in Paris geht die Ära des Springreitens als Teil des sogenannten Modernen Fünfkampfes endlich zu Ende. Wenn’s nach mir ginge, hätte es diese „Galgenfrist“ gar nicht gebraucht. Sie ist völlig unsinnig.

Wo steht unser Sport aktuell in den Medien? Er fällt immer weiter zurück, hinten runter. Im Fernsehen, in der Tagespresse wird nur berichtet, wenn’s Probleme gibt, siehe Fünfkampf, siehe die Causa Ludger Beerbaum, siehe traurige Unfälle. Die gedruckte Fachpresse hat während der Pandemie einige Federn lassen müssen. Die Spezialseiten im Internet werden angenommen und vielfach angeklickt. Ich freu‘ mich natürlich, dass das auch für „Borgmanns Blog“ gilt, aber die Rettung des Reitsports bringt uns das leider nicht, wenn wir Pferdeleute nur im eigenen Saft schmoren.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Turniersport – national wie international – leider sehr schwer tut, nach der Pandemie wieder in Schwung zu kommen. Die Nennungszahlen gehen zurück, namentlich in der Dressur. Viele Turniere werden zwar bei den LKs angemeldet, später aber mit Bedauern abgesagt. Oder die Reiter melden, entrichten ihre Gebühren – bleiben aber letztlich daheim. Spontan kommt mir die Zukunft des Traditionsturniers von Donaueschingen in den Sinn: Für 2023 findet sich auf der Webseite von Escon-Marketing der Termin 10. bis 12. August – das wäre von Donnerstag bis Samstag. Auf der offiziellen Terminliste der LK von Baden-Württemberg fehlt Donaueschingen. Kaspar Funke, wohin des Wegs? So möchte man da fragen.

Schauen wir an dieser Stelle ins Ausland: Im Vorfeld der Spiele von Paris beschäftigt sich ein eigens  gebildetes Gremium der Nationalversammlung mit der Frage, wo die Probleme der Reiterei liegen und wie man sie lösen könnte. Ähnlich in England, wo ebenfalls zwei Dutzend Fachleute bereit dazu sind, sich zusammenzusetzen, um Ideen und Projekte zu entwickeln. Ich bin übrigens, was Großbritannien angeht, doch erstaunt bis skeptisch. Warum? Bei der Vielseitigkeit in Blenheim gab’s – am gleichen Wochenende wie der WM in Italien – leider drei tote Pferde. Eines war eines natürlichen Todes eingegangen, die anderen beiden in Folge von Stürzen. Der mediale Aufschrei blieb aus. Für mich schaut es so aus, als wollten die Engländer möglichen Vorwürfen, Auflagen und Restriktionen zuvor kommen.

Wenn’s den Briten glückt, war’s eine kluge Strategie. Und was geschieht bei uns? Seit dem Sommer 2021 ist Hans-Joachim Erbel der neue FN-Präsident. Viel gehört hab‘ ich von ihm bis dato nicht. In der sportpolitischen Öffentlichkeit ist er unbekannt. Stellungnahmen in den Medien – Fehlanzeige! Wie FN und DOKR den Fall Ludger Beerbaum behandeln – schwer zu verstehen. Der Disziplinarausschuss kommt leider nicht zu Potte. Die Staatsanwaltschaft Münster hat ihre Ermittlungen eingestellt. Beerbaum fordert Freispruch. Schade übrigens, dass er einem Rechtsstreit mit RTL aus dem Wege geht. Es wird höchste Zeit, dass die Causa Beerbaum abgeräumt wird. Ganz gleich wie man diesen Fall im Detail bewertet – er schadet dem Image des Pferdesports.

Was ich mir wünsche für 2023? Guten Sport auf allen Ebenen, selbstverständlich ohne Unfälle und ohne Skandale. Sodann sportliche Erfolge für alle unsere Reiter und nach Möglichkeit keine bitteren Niederlagen mehr durch Patzer am gottverdammten letzten Hindernis. Wie heißt es am Beginn dieses Blogs: Der Wille zum Sieg muss größer sein als die Angst vor der Niederlage.

Ein gutes neues Jahr wünsch‘ ich noch allseits!