Der neue Deutsche Meister der Berufsreiter in der Vielseitigkeit heißt Michael Jung. Im Sattel seines elfjährigen Iren Highlighter gewann der Doppelolympiasieger von London und Rio soeben auf den Wiesen des Haupt- und Landgestüts Marbach die Vier-Sterne-Prüfung, zugleich ausgeschrieben als Deutsches Championat der Berufsreiter. Reitmeister Jung verwies in der „Vier-Sterne“ die australische Reiterlegende Andrew Hoy mit seinem Olympiapferd Vassily de Lassos auf Rang zwei. Die Plätze drei und vier gingen an Sandra Auffarth mit Reseveel und Dirk Schrade auf Casino – die beiden holten sich Silber und Bronze in der Meisterschaft.

Vor einer Woche glänzte Michael Jung mit seinem FischerChipmunk auf den Greenlands von Lexington in Kentucky, siegte dort souverän in der mit 375 000 US-Dollar dotierten Fünf-Sterne-Vielseitigkeit. Gestern sagte er mir: „Das Turnier in Kentucky war einfach großartig, und das nicht nur, weil ich dort wieder einmal gewonnen habe. Die Amerikaner organisieren dieses Event wirklich perfekt und das Publikum ist großartig: Die Leute honorieren die Leistung jedes einzelnen von uns. Sie kommen auf das riesige Reitgelände, um sich fesseln und mitreißen zu lassen. Mein Chipmunk hat jetzt Pause, wahrscheinlich werde ich ihn Ende Juni in Aachen reiten, danach in Haras du Pin.“

Und weiter: „Ich bin hierher nach Marbach gekommen, um meine beiden Iren, also Highlighter und Kilcandra Ocean Power, weiter voranzubringen. Mit Highlighter bin ich heute sehr zufrieden: Der hat die Dressur gewonnen mit 25,7 Punkten, blieb fehlerlos im Parcours, bekam soeben im Gelände nur 0,8 Punkte obendrauf – ich hoffe sehr, dass dieses Pferd bald den Sprung in die Fünf-Sterne-Prüfungen schafft. Mit Kilcandra Ocean Power konnte Michael Jung noch nicht zufrieden sein: in der Dressur mit 32,5 Punkten nur auf Platz 24, im Springen fehlerlos und im Gelände (3800 Meter, 34 Sprünge) mit 18 Zeitstrafpunkten, so gab’s unterm Strich mit 50,5 Zählern nur den 25. Rang.

Der Blick auf die anderen: Andrew Hoy lässt offenkundig nix kommen auf Marbach: „Diese wunderbare Landschaft erinnert mich sehr stark an England. Es macht mir immer wieder große Freude, hierher zu kommen und hier anzutreten. Man spürt, dass hier Pferdeleute das Turnier organisieren. Und es ist schön, dass in diesem Jahr wieder Zuschauer kommen konnten. Die Atmosphäre war heute großartig.“ Wichtig zu wissen: Andrew Hoy schaffte den einzigen fehlerfreien Ritt des Tages durchs Gelände – nur Michael Jungs Highlighter kam dem mit den erwähnten 0,8 Punkten nahe. Hoy hatte unterm Strich 29,1 Punkte, sein Dressurergebnis.

Es war offenkundig und leicht zu beobachten, dass das Marbacher Gelände seinen Tribut verlangt: Bergab in der ersten Hälfte der Strecke, giftig bergauf in der zweiten Hälfte. Pferde, deren Kondition noch nicht so ausgeprägt ist, tun sich immens schwer. Zugleich können sich die Toppferde auf diesem idealen Geläuf einen Gutteil ihrer Kondition für die kommenden Turniere holen. Schaut man auf das Endergebnis, so zeigt sich: Von 64 gestarteten Pferden kamen 54 in die Wertung. Zwei Reiter gaben auf im Busch, drei schieden aus, fünf wurden vor dem Cross zurückgezogen. Alle Reiter und Pferde kamen gesund in den Stall zurück.

Im Kampf um die Medaillen bei der deutschen Meisterschaft der Berufsreiter, die seit 2003 in Marbach ausgeritten wird, lieferten sich Sandra Auffarth und Dirk Schrade einen spannenden Zweikampf. Sandra, die bereits viermal Silber geholt hat, verfehlte mit 31,9 Zählern ihren ersten Titel, Dirk Schrade, der Meister von 2016, kam mit 32,6 Punkten ins Ziel, erhält verdient die Bronzemedaille. Andreas Dibowski, der Meister von 2019, wurde auf Brennus heuer nur 14.

Kurzer Blick auf die neue Weltrangliste der Buschreiter: Oliver Townend, der Brite, führt weiter mit 517 Punkten, Michael Jung ist mit 492 Punkten von Rang sechs auf Platz zwei vorgerückt. Es folgen die beiden briten Tom McEwen und Pippa Funell. Julia Krajewski, die in Marbach Nachwuchspferde ritte, belegt Rang 31. Ingrid Klimke Rang 35, Sandra Auffarth folgt auf 37, Anna-Lena Schaaf auf 40 und Josephine Schnaufer-Völkel auf 46. Da ist noch viel Luft nach oben!

Wichtiger Nachsatz: Die Träume der IGV, der Interessengemeinschaft der Vielseitigkeitsreiter in Baden-Württemberg, in den nächsten Jahren einmal eine Europameisterschaft in Marbach ausrichten zu dürfen, besteht weiter. IGV-Vorstand Aldinger sagte mir: „Für 2023 und 2025 wird das nichts mehr – aber wir denken an 2027 oder 2029. Auf dem Areal des Haupt- und Landgestüts beginnen im nächsten Jahr die Bauarbeiten zur Modernisierung des Stadions und zum Bau neuer fester Stallungen. Weitere Investitionen sind geplant. Um eine EM zu machen, müsse diese und weitere Bauprojekte verwirklicht sein. Ohne dies macht eine Bewerbung keinen Sinn.“

Wer die exakten Ergebnisse von Marbach lesen möchte, dem sei „www.rechenstelle.de“ empfohlen.