Meine beiden Schweizer Kollegen Sascha Dubach und Florian Brauchli, verantwortlich für die geschätzte „Pferdewoche“, bieten ihren Leserinnen und Lesern in der Ausgabe Nr. 9/2023 vom 8. März einmal mehr zwei fundierte Artikel, die ich ausdrücklich zur Lektüre empfehlen möchte. Der Titel: „Der Reiter auf der Erde – das Glück der Pferde?“ Die Texte stammen von ihren Mitarbeiterinnen Angelika Nido Wälty und Sandra Leibacher. Es geht um die wachsende Zahl von Leuten, die ihre Pferde gar nicht reiten, also nicht unter dem Sattel ausbilden, sondern lediglich an Halfter und Strick umherführen. Meiner Ansicht nach ist das eine bedenkliche Tendenz.

Um meinen interessierten Leserinnen und Lesern die Kernaussagen nahe zu bringen, zitiere ich im folgenden einiges aus den aktuellen Texten: „Das Pferd ist von Natur aus ein Athlet“, sagt Michael Weishaupt. Der Professor der Veterinärmedizin, der am universitären Tierspital Zürich die Abteilung Sportmedizin leitet, beschäftigt sich tagtäglich mit der Leistungsfähigkeit von Pferden. Er sagt: „Vielen Pferdebesitzern ist heute gar nicht mehr bewusst, was ihre Pferde zu leisten im Stande sind.“

Weiter im Text: „Einen artgerechten Lebensraum wie in freier Wildbahn kann heute kaum mehr jemand seinem Pferd bieten, also muss anderweitig dafür gesorgt werden, dass das Pferd seinen Drang nach Bewegung ausleben kann. Ausreichend Bewegung und ein auf die Gesunderhaltung des Pferdes ausgerichtetes Training sind deshalb auch wichtige Bestandteile der aktuellen „Horse-Welfare-Diskussion“. Michael Weishaupt sagt: „Damit körperliches Training eine Wirkung hat, ist allerdings eine gewisse Belastungsintensität nötig.“ Im Schritt sei diese jedoch nicht ausreichend gegeben, egal, ob das Pferd geritten oder an der Hand geführt werde.

Weiter im Text: „Der Körper gesunder Pferde ist nicht dazu gemacht, sich nur in einem langsamen Tempo zu bewegen. Das entspricht weder ihrer Veranlagung, noch ihrem natürlichen Verhalten. Und es erfüllt sie mental nicht: Die meisten Pferde wollen gefordert werden.“ Damit alle Muskelgruppen angesprochen werden, muss das Pferd in allen Gangarten bewegt werden. Seine Bauch- und Brustmuskulatur zum Beispiel kann im Galopp optimal trainiert werden.

Trabt oder galoppiert ein Pferd nie, verkümmern nicht nur bestimmte Muskelgruppen, sondern es verliert mit der Zeit auch einen Teil seiner Bewegungskompetenz. Es kann zu Standschäden kommen, so nehmen zum Beispiel die Knochenstärke und die Sehnenstärke ab“, betont Michael Weishaupt.

Die Zusammenfassung: „Das Spazierengehen als einzige Form der Bewegung genügt also nicht, um den physischen und psychischen Bewegungsbedürfnissen eines gesunden Pferdes gerecht zu werden.“ Diese kritische Bewertung des Führens der Pferde an der Hand, so wird ausdrücklich betont, habe nichts zu tun mit dem Führen der Pferde nach dem intensiven Training oder den Wettkämpfen bei Turnieren.

Die dringende Empfehlung: „Wenn jemand sein Pferd lieber führt, weil er Angst davor hat, in den Sattel zu steigen oder ehrlicherweise erkannt hat, dass seine reiterlichen Fähigkeiten nicht ausreichen, so ist das keine Schande, sondern ein Fakt. Also spräche nichts dagegen, weiterhin täglich mit dem Pferd spazieren zugehen und das körperliche Training des Pferdes einem Bereiter oder einer Reitbeteiligung zu überlassen.“

Mein Fazit: Wer wirklich glaubt, das reine Führen der Pferde sei allein artgerecht, der irrt. Daraus gar abzuleiten, die vernünftige Grundausbildung der Pferde unter dem Sattel sei nicht mehr zeitgemäß, ist völliger Unsinn. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Für das Wohl der Pferde ist ihre tägliche Bewegung unverzichtbar, überdies geht es bei der Ausbildung der Pferde unter dem Reiter auch um die Sicherheit beider. Wer sein reiterliches Handwerk nicht versteht, gefährdet das Pferd, sich selbst und andere.

Überdies birgt das Führen der Pferde nur mit Strick und Halfter ein hohes Risiko. Jeder, der mit Pferden umgeht, weiß das. Wer allen Ernstes verlangt, dass das Reiten generell aufgegeben oder gar verboten wird, der zeigt, dass er eine Ideologie verfolgt – Fanatismus aber hat noch nie zu vernünftigen Ergebnissen geführt.

Wer sich für die vollständigen Texte interessiert, dem empfehle ich die Internetseite der Schweizer Pferdewoche unter www.pferdewoche.ch Dort kann die gedruckte Ausgabe angefordert werden.