Ich hab‘ mich mal wieder geirrt, wenn auch nur ganz knapp. Meine mutige Vorhersage, beim Dressur-Weltcup in der Holstenhalle werde es an diesem Wochenende einen spannenden Zweikampf geben zwischen Patrick Kittel und Matthias Rath – Fehlanzeige und Pustekuchen! Denn Emmilie Scholtens aus den Niederlanden und ihr markanter Hengst Indian Rock aus der heimischen Zucht ließ den beiden Herren gleich zweimal keine Chance: Gestern der Sieg im Grand Prix mit 73,456 Prozent. Heute der Sieg in der Kür, neunte von elf Stationen in Richtung Finale in Riad – Tagesbestnote von 81,565 Prozent. Die 39-Jährige auf Platz 27 der Weltrangliste konnte ihr Glück kaum fassen.
Alle Jahre wieder sind die Aktiven voll des Lobes über die Atmosphäre in der guten alten Holstenhalle von Neumünster. Das Publikum sitzt so nah ums Viereck herum wie nirgendwo sonst. Die Rails passen so gerade eben in die Arena. Das Reiten ums Viereck herum ist nicht möglich – vor dem Start müssen ein paar Runden auf dem Viereck absolviert werden. Für jüngere Pferde, die noch nicht so erfahren sind, kann das durchaus eine Herausforderung sein.
Aber auch für so manche Richtergruppe ist der Einsatz in Neumünster eine Herausforderung: Im Grand Prix vom Samstag beispielsweise lauteten die Platzziffern für Emmelie Scholtens und ihren elfjährigen Hengst wie folgt: Zweimal die Eins, einmal die Zwei sowie einmal die Fünf und einmal die Sechs. Mit am Tisch übrigens Henning Lehrmann, der deutsche Olympiarichter für Paris. Hernach hieß es aus der Richtergruppe mit Achselzucken: So sei nun mal das Geschäft. Jeder und jede sehe eben mitunter etwas anderes. Tja, so kann man’s auch sagen. Patrick Kittel beispielsweise und sein Forever Young endeten auf Rang vier, bekamen jedoch zweimal die Platzziffer eins, einmal die Drei, einmal die Vier und einmal die Sechs. Da soll einer schlau werden.
Nochmal ganz präzise: Der Sieger Indian Rock bekam 73,456 Punkte, Platz zwei für Flambeau unter Larissa Pauluis mit 73,283, für Matthias Rath und seinen Destacado gab’s 73,217 und für Patrick Kittel auf Forever Young 73,130 Punkte. Schade übrigens, dass der Veranstalter in Neumünster in seinen Ergebnislisten die Geldpreise konsequent verschweigt – eine altmodische Geheimniskrämerei!
Klar, dass Emmelie Scholtens heute als klare Favoritin aufs Viereck ritt. Viermal die Platzziffer eins, einmal die Drei. 81,565 Prozentpunkte für mutiges Reiten und allerhand Risiko. Der Hengst von Apache und Vivaldi hat eine internationale Karriere vor sich. Man muss die beiden in der Zukunft auf dem Zettel haben. Rang zwei mit 81,145 Punkten für den in vielen Schlachten erfahrenen Patrick Kittel auf dem zwölfjährigen Westfalen Forever Young. Kittel hat fürs Finale drei Pferde zur Auswahl. Matthias Rath und sein Destacado belegten Rang drei mit 80,425 Punkten. Diese drei blieben über der magischen Marke von achtzig Prozent.
Blicken wir auf die aktuelle Punkteliste vor den noch folgenden Qualifikationen in Göteborg und Herzogenbosch: Patrick Kittel bleibt mit jetzt 72 Punkten an der Spitze, gefolgt von Matthias Rath (69), der vor Neumünster auf Platz sechs rangierte. Nanna Merrald hat 64 Punkte auf Platz drei, dahinter „Littie“ Fry und Isabell Werth mit jeweils 57. Rang sechs für Morgan Barbancon mit 56 Punkten. Raphael Netz, mit seinem Escape heute in der Kür auf Platz fünf mit 78,040 Prozent, verteidigt auf der Rangliste seinen Platz sieben mit 54 Punkten.
Emmelie Scholtens lag vor Neumünster mit nur 19 Zählern auf Rang 33. Jetzt rangiert sie mit 39 Punkten auf Platz neun. Sie ist die beste Niederländerin und dürfte, wenn mich nicht alles täuscht, gute Chancen auf einen Start in Riad haben. An der Tatsache, dass Matthias Rath, Isabell Werth und Raphael Netz die deutschen Farben in Riad vertreten, wird sich nichts mehr ändern.
Aktuell sieht die Besetzung für Göteborg am kommenden Wochenende ziemlich mau aus. Hoffentlich ändert sich das noch, denn mit nicht einmal zehn Pferden hätten die Schweden den Zuschlag für eine der Qualifikationen eigentlich nicht verdient. In Herzogenbosch wird’s hingegen an Startern gewiss nicht fehlen. Ich rechne fest damit, dass „Littie“ Fry und Isabell Werth dort antreten.
Wer heute in der Holstenhalle die Riderstour 2023/24 gewinnt, das werde ich an dieser Stelle nachtragen, sobald die Entscheidung gefallen ist: Augenblicklich, genau um 15.28 Uhr, ist die Entscheidung gefallen – noch während der Große Preis in Neumünster vor der Siegerrunde steht: Hansi Dreher heißt schon vorzeitig der neue „Rider of the Year“. Siegprämie 60 000 Euro. Glückwunsch! Ein schöner Erfolg für den Mann aus dem südbadischen Eimeldingen. Gerade sagte er im NDR-Fernsehen: „Gefeiert wird erst morgen zu Hause. Wir haben ja einen weiten Heimweg!“
Den Großen Preis von Neumünster gewinnt Philipp Rüping auf Baloutaire in der Siegerrunde. Siegprämie 14 200 Euro. Dahinter Hansi Dreher auf Cous Cous. Prämie 11 360 Euro. Es war für Philipp Rüping der zweite Sieg; sein Vater Michael hat ebenfalls zweimal den Großen Preis in der Holstenhalle gewonnen.
Grüße in den Norden aus dem Süden!