Als ich Ende der sechziger Jahre Bereiterstift war beim unvergessenen Robert Schmidtke am Ohligser Weg in Hilden, da war der elegante, hochgewachsene Carl Graf von Hardenberg, Jahrgang 1923, eine feste Größe auf dem Dressurviereck. Am 5. November dieses Jahres hätte Graf Hardenberg seinen 100. Geburtstag feiern können. Das vor Kurzem bekannt gegebene (hoffentlich nur vorläufige) Ende seines legendären Burgturniers auf der Familienburg in Nörten-Hardenberg, das muss der sympathische Graf nicht mehr miterleben. Es lohnt sich, etwas genauer auf die Gründe dieser Absage zu blicken. 

Wer etwas übrig hat für die wunderbaren alten Fotos aus längst vergangener Turniergeschichte, dem empfehle ich hier gleich zu Anfang via Internet mal nachzuschauen unter „www.hardenberg-burgturnier.de“ Die eindrucksvollen Annalen des in den fünfziger Jahren begründeten Burgturniers sagen uns Heutigen – Foto für Foto – mehr als tausend Worte. Hinter jedem Bild ein großer Name und schier endlose Geschichten:

HG Winkler gewann 1958 die erste „Goldene Peitsche“, einen Klassiker des internationalen Springsport. Dreimal siegte HGW, ebenso Dennis Lynch und Felix Hassmann. Die Peitsche mit dem Eberkopf ging in ihren Besitz über. Auf der Siegerliste finden sich Namen wie Helga Köhler und Hartwig Steenken, Peter Leone und Alexandra Ledermann, „Kaiser“ Johannsmann und Jeroen Dubbeldam, natürlich auch Simon, Wiltfang, Ehning, Vater Nieberg, Kurt Jarasinski, Hermann Schridde, Alwin Schockemöhle.

2019, so steht es aktuell, gab’s vorerst das letzte Burgturnier vor den Toren von Göttingen. Die junge Finja Bormann holte sich die Goldene Peitsche, also den Sieg im Großen Preis am Schlusstag. Während der Turniertage pflegte die Adelsfamilie Hardenberg ihre reiterliche Tradition auf ihrer Burg, deren urkundliche Anfänge tatsächlich auf das Jahr 1101 zurückgehen. Das erinnert mich an die vergleichbaren Traditionen der Adelsfamilie Landsberg-Velen auf Schloss Wocklum bei Balve im Sauerland oder auch an das ebenfalls in den Fünfzigern begründete Turnier der Adelsfamilie zu Fürstenberg in Donaueschingen.

Die Gründe dafür, dass der heutige Chef des Hauses Hardenberg, wie sein Vorfahre ebenfalls mit Namen Carl, sein Turnier aufgibt, sind traurig, aber einleuchtend. Er sagte gegenüber der Lokalpresse unter anderem dies: „Langjährige Partner und Sponsoren stecken nach den Jahren der Pandemie in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, können uns nicht mehr unterstützen. Deshalb wäre es unmöglich gewesen, das Turnier 2023 auch nur einigermaßen kostendeckend auszurichten.“

Auch die Entwicklung im Profisport Springreiten habe mit zu den Problemen beigetragen, sagt der Graf: „Immer mehr Ausrichter in Europa und in Übersee sind spezialisiert auf das Veranstalten von Turnieren. Dort liegen die Geldpreise deutlich höher.“ Gegen diese  Konkurrenz könne ein Turnier wie das auf der Burg Hardenberg nicht mehr mithalten, denn die Ausrichtung gerade auf dieser historischen Anlage erfordere einen besonderen Aufwand.

Einigermaßen tröstliche Worte aus gräflichem Mund zum Schluss: Man werde im Juni dieses Jahres ein reines Dressurturnier im kleineren Rahmen ausrichten. Man wolle den Aufwand zurückfahren und quasi eine Dankpause einlegen. Schließlich noch dies: Die Zusammenarbeit mit Kaspar Funke und der Escon-Marketing werde beendet. (Dasselbe ist auch beschlossene Sache in Donaueschingen, wo Kaspar Funke Mitte August das letzte Turnier organisieren möchte. Von 2024 an wird, wie berichtet, Matthias Rath mit seinem Team das Heft in die Hand nehmen.)

Kein Zweifel, die Jahre der Pandemie haben auch dem internationalen Turniersport einen herben Dämpfer versetzt. Nörten-Hardenberg ist keineswegs das einzige Opfer. Gleiches gilt auch für andere etablierte Turniere, beispielsweise im südbadischen Offenburg, aber auch in München, Hannover und Bremen. Die Liste ließe sich leicht verlängern.

Und was die weltweite Konkurrenz betrifft – wenige Stichworte sollen hier und heute genügen: die Global Champions Tour von Jan Tops, die vier Turniere des Rolex-Grand-Slam, auch der von Longines finanzierte Weltcup in den Hallen, die wochenlangen attraktiven Pferdemärkte in Spanien, Italien und in den USA. Aber auch die attraktiven Prüfungsangebote bei Riesenbeck International, wo übrigens die Adelsfamilie Heereman im Hintergrund engagiert mitwirkt.

Wie man es auch dreht und wendet: Die Großen verdrängen die Kleinen. Der weltweite Pferdehandel bestimmt weitgehend den Sport. Die Tradition allein, mag sie uns noch so leuchtend in Erinnerung sein – mit dem nostalgischen Blick zurück lassen sich die Herausforderungen von heute nicht meistern. Unser Sport mit den Pferden steht unter Druck: Die Nennungszahlen auf den normalen Turnieren gehen deutlich zurück. Die Zahl der Turniere des Unter- und des Mittelbaus sinken. Im Leistungssport fehlt uns der Nachwuchs. Das Image des Pferdesports ist angeschlagen.

Doch anstatt zu jammern und zu klagen, und anstatt mit den Fingern zu zeigen auf aggressive Leute, die es übel meinen mit der Reiterei, sollten wir unser Selbstbewusstsein wiederfinden, uns offensiv und ohne beleidigt zu sein, mit allen vernünftigen Kräften wehren! Wer immer wieder klein beigibt, der hat schon verloren. Die Leute von RTL lachen sich ins Fäustchen, machen kräftig Quote und Werbeumsätze auf Kosten des Pferdesports. Schade übrigens, dass Ludger Beerbaum seine ursprüngliche Absicht, gegen RTL gerichtlich vorzugehen, aufgegeben hat. Und nebenbei gemerkt: Dass man sich in Warendorf bis heute keinen Millimeter bewegt in der causa Beerbaum, das ist aus meiner Sicht ein Ärgernis!

Vergessen wir nicht: Alles hängt mit allem zusammen!