Das olympische Jahr 2024 ist eineinhalb Wochen alt. Meine Gedanken gehen voraus in die Zeit vom 26. Juli bis zum 11. August. Wussten Sie, liebe Leserinnen und Leser, eigentlich, dass es bereits die dritten Spiele in der französischen Hauptstadt sein werden? Ich auch nicht. Was also liegt näher, einfach mal nachzuschauen, was es mit diesen Olympischen Spielen von 1900 und von 1924 in Paris so auf sich hat. Mein Fazit gleich vorweg: Sie werden sich mächtig wundern, so wie ich mich gewundert habe. Fangen wir mit 1900 an. Ein einziges Kuriosum!
Wer von uns eine gut gefestigte Halbbildung besitzt, der weiß zumindest dies sofort aus dem Kopf: Die Geschichte der Olympischen Spiele der Neuzeit beginnen im Jahr 1896 im Hain von Olympia in Griechenland. Der Franzose Pierre de Coubertin (1863 bis 1937), Historiker, Pädagoge und Sportfunktionär, hatte sie ins Leben gerufen. Diese ersten Spiele in Athen waren ein großer Erfolg. Danach aber gab’s Streit um die zentrale Frage, bleiben diese Spiele an ihrem historischen Ausgangspunkt oder „wandern“ sie, wie Coubertin es vorschlug, in einem Rhythmus von vier Jahren, also der eigentlichen „Olympiade“, von einem Ort zum andern rund um die Welt.
Aber so rasch wie wir uns das heute denken mögen, kam keine Einigung zustande. Die Zeit verging wie im Fluge. Da traf es sich gut, dass man im Jahr 1900, vom 14. Mai bis zum 28. Oktober, in Paris die große Weltausstellung veranstaltete. Die stand offenkundig im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses – die Idee der Olympischen Spiele war hingegen nur eine Randnotiz. Coubertins Forderung, in Paris die zweiten Spiele der Neuzeit auszurichten, lief ins Leere.
Auf diese Weise entstand folgendes Kuriosum: Weil man zur Weltausstellung 1900 durchaus Sportwettkämpfe ausrichten wollte, wurden diese später kurzerhand als II. Olympische Spiele deklariert. Offiziell hießen diese Wettbewerbe nur „Internationale Wettbewerbe für Leibesübungen und Sport“. Man betrachtete sie als lästiges Anhängsel, Zuschauer kamen nur rein zufällig vorbei, Informationen für die Öffentlichkeit? Fehlanzeige! Die Sportstätten lagen über ganz Paris verteilt. Wörtlich heißt es in den Annalen: „Es gab Sportler, die niemals oder erst Jahre später erfuhren, dass sie an Olympischen Spielen teilgenommen hatten.“ Übrigens, erstmals durften Frauen aktiv mitmachen.
Und was sagen die Annalen über Reiter und Pferde? Immerhin dies: Im 7. Arrondissement von Paris lag ein Reitplatz. Es gab Polospiele, Springreiten und sogar Viererzugfahren, letzteres allerdings nur als Beiwerk zur Weltausstellung, nicht als olympische Disziplin. Dafür war Tauziehen damals olympisch.
An dieser Stelle schaue ich einmal mehr besonders gerne in die „Geschichte des Pferdesports“ hinein, geschrieben von unserem vortrefflichen Schweizer Kollegen Max Ammann. Denn er schildert uns die wirklich besondere Situation anno 1900 in Paris. Er schreibt: „Um die Jahrhundertwende begann im Springsport die Konsolidierung, an deren Ende die ersten Nationenpreise 1909 in San Sebastian und London sowie erste CHI’s in Luzern, Lissabon und New York standen. Wesentliche Ereignisse dieser Dekade waren der erste internationale Concours des Jahres 1900 in Paris.
Die Weltausstellung 1900 veranlasste die Societe Hippique Francaise ihren nationalen Concours Central um drei Tage zu verlängern. Dieses erste CHI hatte aber nichts zu tun mit dem internationalen Sportprogramm, das zur Weltausstellung gehörte und später nachträglich als II. Olympische Spiele bezeichnet wurde.
Leider ist nicht überliefert, wer genau die später als olympisch eingestuften Wettbewerbe gewann. Immerhin jedoch wissen wir, dass es bei dem erwähnten CHI von Paris im Jahr 1900 ein „Weitspringen“ gab, das der belgische Capt. Constant von Langendonck auf Extra Dry gewann – seine Weite betrug 6,10 Meter. Im „Hochsprung“ siegte der Franzose Gardere auf Canela fehlerfrei über 1,85 Meter. Im Springen über einen Parcours ging der Sieg an einen Belgier: Capt. Aime Haegeman auf Benton II. Deutsche Reiter waren damals noch nicht dabei. Statt den Medaillen gab es lediglich kunstvolle Plaketten.
Den zweiten Olympischen Spielen von Paris im Jahr 1924 widme ich mich demnächst. Einerseits sind die Reitwettkämpfe jenes Jahres weitaus besser protokolliert und nachvollziehbar, andererseits waren die Deutschen nicht dazu eingeladen – als Schuldige am Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Dabei fällt mir ein: 1924 ist ja das Gründungsjahr des CHIO in der Aachener Soers, über das in diesem Jahr 2024 zu sprechen und zu schreiben sein wird. Der spannende Stoff geht uns heuer also nicht aus.