Seit 2009 ist Otto Becker, der Weltcupsieger von 2002 auf Dobels Cento, unser Bundestrainer der Springreiter. Nach der Olympiapleite von Hongkong 2008 hat der heute 64-Jährige diesen Job übernommen und mit seinem Stil der Offenheit und der kritischen Analyse geprägt. Von Schönrederei und von Selbstlob hält dieser Mann rein gar nichts. Er sagt: „Die Nationalhymne ist mein Lieblingslied, denn wenn die erklingt, dann weiß ich, dass meine Reiter gewonnen haben.“ Vergangene Nacht in Omaha/Nebraska gab’s die Hymne leider nicht. Otto Beckers kritische Bilanz: „Wir können nicht zufrieden sein!“ Klartext Marke Otto Becker.

Für alle, die daran interessiert sind, was Otto Becker nach dem Ende des Cupfinals in die Mikrofone und Kameras gesagt hat, hier der vollständige Wortlaut, den ich finden konnte: „Richard holt als Neuling den achten Platz. Da sag‘ ich erst einmal: Hut ab! Aber es war schade zum Schluss hin, als die Konzentration vielleicht etwas weg war. Sonst wäre er noch weiter nach vorne gekommen. Am Ende ist er unser bester Reiter. Aber wie gesagt, ich denke, er kann zufrieden sein. Sein Pferd hat sich hier super präsentiert.

Marcus Ehning hat einfach keinen Lauf gehabt. Das Pferd ist auch heute super gesprungen, kriegt am letzten Sprung einen Netzroller. Das war echt schade. Auch Janne Meyer hat hier solide Runden abgeliefert. Sie kann auch zufrieden sein. Aber am Ende muss man sagen: Wir hatten fünf Paare hier am Start, hatten eine super Weltcup-Saison über den Winter – also hatten wir uns mehr ausgerechnet: Da können wir nicht zufrieden sein! Wir hatten von den fünfen nur zwei im Finale, also im letzten Umlauf dabei. Wir hatten natürlich gedacht, wir bekämen mehr ins Finale und könnten weiter nach vorne kommen. Aber meine Gesamtbilanz fällt nicht zufriedenstellend aus. Unter dem Strich waren wir zu weit weg von der Spitze.

Das waren wirklich schwere Prüfungen, die Halle ist nicht zu groß. Die Springen waren sehr technisch. Jetzt kommt die grüne Saison, das wird einigen Pferden leichter fallen. Draußen werden die Karten neu gemischt. Trotzdem liefert uns so ein Weltcupfinale über mehrere Tage wichtige Informationen: Man kann dabei sehen, wie sich Reiter und Pferde bei so einem Championat präsentieren.“

Selbstkritisch zeigte sich auch Richard Vogel am Ende seines ersten Weltcupfinales – trotz des verdienten Lobes von Otto Becker: „Ich habe, ehrlich gesagt, ein bisschen zu viel Angst gehabt vor der letzten Linie im ersten Umlauf und habe United zu sehr aus der Kraft springen lassen. Die Fehler gehen total auf meine Kappe! In der zweiten Runde habe ich versucht, das Ganze wieder etwas lockerer anzugehen. Da ist er super gesprungen, nur mit einem Zeitfehler am Ende. Unsere erste Runde im Finalspringen war zwar ein Rückschlag für das Wochenende, aber das war gut so für meinen Werdegang. Aus Fehlern lernt man – beim nächsten Mal werden wir es hoffentlich besser machen.“

Selbstkritisch gab sich auch Gerrit Nieberg: „Ich bin definitiv mit anderen Erwartungen hierher gekommen. Nach dem ersten Tag waren die Hoffnungen natürlich dahin, auch wenn wir uns mit den folgenden Runden noch einmal aus der Affäre ziehen konnten. Ich bin natürlich nicht zufrieden!“ Schade, dass es nach seinem Missgeschick und dem Aus in der zweiten Runde keinen Kommentar gibt von Daniel Deusser.

Die Hallensaison 2022/23 ist abgehakt. Das vorolympische Jahr ist lang, bringt vielerlei wichtige Wettkämpfe: Nationenpreise, die Europameisterschaft, die diversen Touren und großen Turniere wie etwa Aachen. Es wird jedenfalls nicht langweilig.

Frohe Ostertage aus Stuttgart!