Otto Becker, der Bundestrainer, sagt es so: „Unsere Nationalhymne ist mein Lieblingslied! Immer, wenn ich sie höre, weiß ich, dass einer meiner Reiter gewonnen hat!“ So einfach ist das. Und so schön. Gestern Abend klang die deutsche Hymne in der O2-Arena von Prag besonders schön: Deutscher Doppelsieg im „Super Grand Prix“ durch Daniel Deusser auf dem kleinen Hengst Scuderia 1918 Tobago Z vor der überraschend starken Katrin Eckermann auf Cala Mandia. Daniel gewann mehr als 300 000 Euro, Katrin mehr als 250 000 Euro.

Immer, wenn es einen Haufen Geld zu gewinnen gibt, ist Daniel Deusser zur Stelle. Das war heuer in Calgary so, wo er den Großen Preis gewann, das war auf der Global Tour so, wo er – wenn ich es aus dem Stegreif recht erinnere – in New York erfolgreich war. Und gestern Abend in Prag: Nach der ersten von zwei schweren Runden auf Rang zwei – am Ende fehlerl0s und in Bestzeit ganz vorne. „Mein kleiner Hengst sprang auch heute wieder unglaublich. Ich war mir sicher, dass es klappen könnte.“

Der 14-jährige Hengst mit einem Stockmaß von nur 1,65 Metern zählt seit Jahren zu den weltbesten Springpferden, trägt den baumlangen Daniel von einem Erfolg zum anderen. Interessant zu wissen: Scuderia 1918 ist der Name einer italienischen Schuhfabrik, das „Z“ steht bekanntlich für das Gestüt Zangersheide. Da fällt mir spontan ein, was Daniels Chef Stephen Conter einmal gesagt hat: „Ich wollte mit meinen Pferden nach ganz oben, wollte Sieger stellen bei den Großen Preisen. Jetzt weiß ich, dass das ein Suchtfaktor werden kann.“ Ich sage: Wenn man einen Stalljockey beschäftigt wie Daniel Deusser, dann wird dieser Suchtfaktor immer stärker.

Was mich (fast) noch mehr freut wie der Sieg von Daniel und seinem Tobago, das ist der zweite Platz für Katrin Eckermann und ihre neunjährige Westfalenstute Cala Mandia. Vor Jahren war ich in Aachen dabei, als die aufstrebende Katrin auf dem Sprung war mitten hinein in die internationale Elite. Zwei schwere Stürze am Wassergraben warfen sie damals um Jahre zurück. Umso schöner, dass sie mit Fleiß und Mut zurückgefunden hat auf die ganz große Bühne. Chapeau!

Wie schwer das gestern Abend in Prag wirklich war, das zeigt mir beispielsweise der sechste Rang von Henrik von Eckermann und seinem King Edward, unsere neuen Weltmeister. Zwei Abwürfe und am Ende „nur“ 52 115,39 Euro Preisgeld. Daniel Deusser bekam übrigens exakt 302 115,41 Euro und Katrin Eckermann exakt 252 115,41 Euro. Eine merkwürdig präzise Rechenart, hinter deren Geheimnis ich nicht komme. Christian Ahlmann, der Stuttgart abgesagt hatte, um sich anderswo auf Prag vorzubereiten, musste mit seinem Mandato am Ende auch zwei Abwürfe hinnehmen, wurde Achter und bekam exakt 39,615,39 Euro.

Und hier noch dies: Ludger Beerbaum hat, wie berichtet, auf die Teilnahme am Super Grand Prix verzichtet, damit er heute am Nachmittag im Teamfinale mit den „Berlin Eagles“ (Philipp Weishaupt und Eoin McMahon) das ganz große Geld einheimsen kann: 4,51 Millionen Euro liegen bereit. Nein, kein Irrtum: 4,51 Millionen Euro.

„Seit umschlungen Millionen“, so dichtete einst mein schwäbischer Landsmann Friedrich Schiller in seiner „Ode an die Freude“. Richtig, Schiller meinte seinerzeit die Menschen, den Frieden und die Lebensfreude. Heute, mehr als 200 Jahre später, herrschen Krieg, Verletzung der Menschenrechte, Neid und Missgunst. Das ist bitter. Schiller würde sich im Grab umdrehen.

Wenn in Prag das Teamfinale entschieden ist, finden Sie an dieser Stelle das Ergebnis und meine unmaßgebliche Meinung dazu. Jetzt, gegen 1945 Uhr MEZ ist es soweit: Sieg und 1,5 Millionen Euro für die „Miami Celtics“ mit Bertram Allan auf Pacino Amiro, 1,2 Millionen für „Valkenswaard United“ mit Marcus Ehning auf Priam du Roset, Andre Thieme mit Chakaria und John Whitaker auf Unick du France.

Platz drei und 800 000 Euro für die „Shanghai Swans“ mit Christian Ahlmann auf Dominator, Max Kühner auf Elektric Blue. Die Sieger und die Zweitplatzierten trennten bei jeweils 12 Strafpunkten nach zwei Finalrunden nur 190,98 zu 196,69 Sekunden.

Platz vier, dotiert mit 500 000 Euro, sicherten sich die „Berlin Eagles“ mit Ludger Beerbaum auf Mila, Christian Kukuk auf Mumbai und Philipp Weishaupt auf Coby. Übrigens verhinderte Ludger Beerbaum mit 12 Strafpunkten in der ersten Runde ein besseres Abschneiden. Tja, in diesem Wettkampf sind Springfehler ganz besonders teuer.

Rang fünf und 260 000 Euro holte sich das Team „Madrid  in Motion“ mit Jack Whitaker auf Paravatti, Angelica Augustsson auf Kalinka und Eduardo Alvarez Aznar auf Bentley. Schließlich Rang sechs, dotiert mit 250 000 Euro, für die „Prag Lions“ mit Peter Devos auf Nascar, Anna Kellnerova auf Catch me if you can und Niels Bruynseels auf Delux. Letztere hatten alles in allem 51 Strafpunkte aufgehäuft, davon 31 von Anna Kellnerova.

Wir erinnern und an jene traurige Geschichte des Jahres 2021: Peter Kellner, einer der reichsten Unternehmer in Tschechien, Macher und Motor der Playoffs in Prag, war damals beim Helikopter-Skiing in Kanada ums Leben gekommen. Seine Familie führt dieses am höchsten dotierte Springturnier der Welt in seinem Sinne weiter. Gleichwohl erlaube ich mir die skeptische Frage, ob Dotierungen wie mehr als acht Millionen Euro an einem einzigen Wochenende den Springsport wirklich voranbringen?