Prosit Neujahr! Ich hoffe, liebe Leserinnen und Leser, dass Sie alle einen guten Rutsch geschafft haben. Ich wünsch‘ Ihnen allen für 2024 in erster Linie Gesundheit, Heiterkeit und Zuversicht, auch wenn’s in Zeiten wie diesen schwer fällt, nicht zu verzweifeln. Da sorgt das Interesse für die Pferde und der Umgang mit ihnen für die notwendige Ablenkung. Man bekommt zumindest ein wenig Erholung und hoffentlich Verlässlichkeit. Heute, am zweiten Tag des neuen Jahres, möchte ich noch einmal kurz und kritisch zurückblicken auf die Saison 2023.

Das alte Jahr ist mit einer guten und einer schlechten Nachricht zu Ende gegangen. Zuerst die gute: Christian Ahlmann hat vergangenen Samstag in Mechelen das letzte Weltcupspringen des Jahres gewonnen. Ich nehm’s – durch die deutsche Brille geschaut – als gutes Omen für die kommende olympische Saison. Die traurige Nachricht: Leslie McNaught, die gebürtige Britin mit Schweizer Pass, ist im Alter von nur 59 Jahren gestorben. Sie war als Aktive wie als Trainerin eine prägende Persönlichkeit für die Springreiterei der Eidgenossen.

Und wenn ich schon beim Erinnern bin, dann soll unser Gedenken in diesen Tagen zwischen den Jahren auch „Kaiser“ Johannsmann gelten, ebenso unserem Freund Fritz Pape, dem legendären Auktionator Uwe Heckmann sowie dem trefflichen Künstler und Pferdemaler Klaus Philipp. Sie alle stellvertretend für leider allzu viele andere.

Zurück zum Sport, dem unser lebhaftes Interesse galt und gilt. Und sogleich wird’s kritisch. Bei der Wahl zu den Sportlern des Jahres 2023 haben die stimmberechtigten deutschen Sportjournalisten kurz vor Weihnachten einen großen Bogen um den Sport mit den Pferden gemacht. Weder bei den Damen, noch bei den Herren oder gar den Mannschaften gab’s für die Reiterei auch nur einen Blumentopf zu gewinnen, sprich: eine lobende Erwähnung.

Ich sag‘ mal so: Der ganz große Erfolg ist unseren Spitzenreitern 2023 versagt geblieben, sieht man einmal ab von den beiden EM-Titeln für Jessica von Bredow-Werndl und ihre Dalera in Riesenbeck. Für’s Dressurteam mit Isabell Werth, Matthias Rath und Frederic Wandres blieb „nur“ Silber – ein Wehrmutstropfen für die historisch wohl erfolgreichste deutsche Sportart seit dem Zweiten Weltkrieg.

Bei der Springreiter-EM in Mailand überzeugten Philipp Weishaupt und sein Zineday mit ihrem zweiten Platz. Nochmal mein Kompliment dafür! Für die Mannschaft blieb nur Platz vier. Die Buschreiter hatten bei ihrer EM in Haras du Pin gemischtes Glück: Einzelbronze für Sandra Auffarth und ihren Viamant du Matz, dazu Silber für das Team um Sandra mit Christoph Wahler, Malin Hansen-Hotopp und Michael Jung, der leider nach einem Sturz ins Wasser ausscheiden musste.

Immerhin, die deutschen Fans hatten mehrmals allen Grund zum Jubeln: Marcus Ehning siegte auf Stargold im Großen Preis von Aachen – sein dritter Erfolg in diesem Springen zur Unsterblichkeit! Beim Finale um den Nationscup in Barcelona führte um Otto Beckers Equipe kein Weg vorbei: Jana Wargers, Richard Vogel, Hansi Dreher und Christian Kukuk holten den „Pott“. Chapeau! Richard gewann später beim Grand-Slam-Turnier in Genf mit United Touch den Großen Preis. Ein bärenstarker Auftritt.

Wie gesagt, zum Sprung unter die Sportler des Jahres reichte das alles nicht, was wir akzeptieren müssen. Wobei mir noch eine Begründung in den Sinn kommt: Die monatelange Hängepartie bei den Ermittlungen gegen Ludger Beerbaum und den Vorwurf der Tierquälerei haben dem Ansehen der Reiterei in Deutschland geschadet – ganz unabhängig davon, dass die Staatsanwaltschaft Münster letztendlich die Ermittlungen eingestellt hat. Ludger wurde freigesprochen. Trotzdem sieht man auch an diesem Fall: Es bleibt halt immer etwas hängen.

Was hängen bleibt am Fall Andreas Helgstrand, das werden wir in den kommenden Monaten sehen. Was auch immer – die Vorwürfe gegen den Dänen wiegen schwer. Man kann nur den Kopf schütteln, wie Helgstrand und sein Umfeld jetzt versuchen, die Wogen zu glätten und sich selbstkritisch zu geben. Für mich führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei: Die rüden, unakzeptablen Methoden bei der Ausbildung und dem Training von jungen Dressurpferden, schaden dem internationalen Dressursport wie der Reiterei insgesamt ganz enorm.

Alle, die zum Leistungs- und Spitzenreitsport gehören, müssen wissen und gewahr sein, dass es seriöse wie unseriös Tierschützer sind, die – auch mit zweifelhaften Methoden – versuchen, sie zu stellen und zu überführen. Vor den Gerichten – siehe den Fall Helgstrand – haben Betroffene praktisch keine Chance, unter dem Vorhalt des Hausfriedensbruchs durchzukommen. Was „undercover“ gefilmt worden ist, darf veröffentlicht werden – ob im Fernsehen, im Internet oder in den Printmedien.

Was gibt’s im Rückblick auf 2023 noch anzumerken? Im monatelangen Streit um die drastischen Erhöhungen der Kosten und Gebühren für die Arbeit unserer Tierärzte tue ich mich schwer mit einem leichten Urteil: Einerseits habe ich volles Verständnis dafür, dass unsere Veterinäre auf ihre Kosten kommen müssen. Ihre Bereitschaft und Präsens rund um die Uhr muss angemessen entlohnt werden. Ihre Sachkunde und Erfahrung gibt’s nicht zum Schnäppchenpreis. Auch sie spüren den Personalmangel, die Inflation und die enorm gestiegenen Kosten.

Andererseits muss man tatsächlich sehen, dass die enormen Preissteigerungen, die wir auf den Rechnungen der Tierärzte vorfinden, durchaus dazu führen können, dass Menschen, womöglich die Freizeitreiter in erster Linie, dazu gezwungen sein können, ihren Sport mit den Pferden zu reduzieren oder gar aufzugeben. Es wäre also vernünftig, wenn man sich aufeinander zubewegt und einen Kompromiss findet, mit dem beide Seiten einigermaßen leben können.

Und schließlich noch dies: In unserer FN-Zentrale in Warendorf gab’s 2023 einen Sturm im Wasserglas. Sönke Lauterbach, der Generalsekretär, hat öffentlich gemacht, dass er und die FN-Justiziarin ein Paar sind. Das FN-Präsidium stärkte ihm sofort den Rücken, beschloss eine Änderung der Zuständigkeiten, sodass Lauterbach fortan nicht mehr der Chef seiner neuen Lebenspartnerin ist.

Für Martin Richenhagen allerdings, den ehemaligen internationalen Dressurrichter, früheren deutschen Equipechef der Dressur und Vorsitzenden der Stiftung deutscher Spitzenpferdesport, war das alles ein Unding: Richenhagen trat spektakulär von seinem Ehrenamt zurück, teilte überdies mit, er habe sein Testament zugunsten der Stiftung geändert. Für ihn habe die ganze Sache mehr als nur ein Geschmäckle.

Ich sag‘ mal so: Als Herausgeber der Reiter Revue agiert Martin Richenhagen durchaus auch an der Grenze zum Geschmäckle. Wer direkten Einfluss hat auf Medien, der sollte aus meiner Sicht jegliches Ehrenamt meiden, um von vornherein keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Aus den viel zitierten „gut unterrichteten Kreisen“ heißt es, das persönliche Verhältnis zwischen Sönke Lauterbach und Martin Richenhagen sei nicht gerade herzlich gewesen. (Als es vor Jahren um die Nachfolge des inzwischen verstorbenen FN-Präsidenten Breido Graf zu Rantzau ging, war auch Martin Richenhagen im Gespräch.) Es menschelt halt allüberall.

Soweit ich es aus der Entfernung zwischen Stuttgart und Warendorf erkennen kann, scheint wieder Ruhe eingekehrt. Das wäre gut so. Das Olympische Jahr 2024 verlangt nicht zuletzt von FN und DOKR die ganze Kraft und Kreativität, damit bei der nächsten Wahl zu den Sportlern des Jahres im kommenden Dezember wieder mal unsere Reiter mit von der Partie sind.