Nein, Sebastian Coe ist kein Reiter. Ich weiß überhaupt nicht, ob dieser Mann jemals in seinem Leben, das jetzt etwas länger als 66 Jahre währt, auf einem Pferd gesessen hat. Da er aus England stammt, scheint mir das durchaus möglich zu sein. Aber darum geht es hier und heute gar nicht. Sebastian Coe besitzt vielmehr die große Chance, 2025 zum Nachfolger des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach gewählt zu werden. Was das, im Fall des Falles, wiederum mit der Reiterei zu tun hat, das erkläre ich Ihnen, Liebe Leser*innen, in meinem aktuellen Blog.
Also das ist so: Seit einiger Zeit kursieren wilde Gerüchte im hippologischen Internet. Dort heißt es folgendermaßen: Ingmar de Vos (60), seit 2014 Präsident des Weltverbandes der Reiter (FEI), setze allen ihm zu Gebote stehenden Ehrgeiz daran, in zwei Jahren zum Nachfolger des IOC-Präsidenten Thomas Bach gewählt zu werden. Schon seit 2017 sei Ingmar de Vos bekanntlich IOC-Mitglied.
Und weiter heißt es: Sollte Ingmar de Vos dieser Karrieresprung gelingen, wofür wohl einiges spräche, dann spekuliere Sönke Lauterbach, seines Zeichens Generalsekretär der FN in Warendorf, seinerseits auf die Nachfolge von Ingmar de Vos an der Spitze der FEI. Immerhin, so heißt es, sei ja die deutsche FN mit ihren rund 680 000 Mitgliedern die größte Pferdesportliche Vereinigung der Welt.
Jetzt mal „Butter bei die Fische!“ Sebastian Coe, seit 2015 Präsident des Weltverbandes der Leichtathleten, hat zweimal Einzelgold gewonnen über die 1500 Meter! Chapeau! 2012 war er der Organisationschef bei den Olympischen Spielen in London. Erst vor wenigen Tagen haben die Leichtathleten diesen ihren Präsidenten mit überzeugenden 98,5 Prozent in seinem Amt bestätigt. Bis 2027 ist er gewählt. Einen Gegenkandidaten gab’s übrigens nicht. Zur möglichen Bach-Nachfolge, so heißt es, habe sich Coe so geäußert: „Weder bestätigen, noch gänzlich ausschließen!“
Medienleute, die weitaus mehr von der Leichtathletik verstehen als ich, sagen mir überzeugend: Wenn am Tag der Wahrheit im Jahr 2025 gewählt wird und Sebastian Coe die Hand hebt, werde er auch gewählt zum neuen IOC-Präsidenten. Was hieße das nun für die bis dato logischerweise unbestätigten Ambitionen von Ingmar de Vos? Ganz einfach: Sollte der Belgier tatsächlich den Traum vom höchsten Amt im IOC träumen – dieser Traum wäre geplatzt. Sollte er gar soweit gehen, sich in eine Kampfkandidatur gegen Sebastian Coe zu wagen – seine Niederlage wäre programmiert.
Sie fragen mich, weshalb? Ganz einfach, der Stellenwert des internationalen Pferdesports ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Weltweit gibt es leider viel zu viele negative Schlagzeilen. Ich erspare mir, sie bis ins Detail aufzuzählen. Wir alle wissen, wo es in unserem Sport auf höchster Ebene nicht gerade gut läuft. Zugegeben, auch die Leichtathletik ist kein Hort der ungetrübten Freude. Aber die Leichtathletik ist nun mal das historische Zentrum des olympischen Sports.
Vielleicht besäße ja unsere Reiterei auf der Ebene des IOC mehr Aufmerksamkeit, Rückhalt und Vertrauen, wenn Ingmar de Vos beispielsweise einige Goldmedaillen daheim hätte – gerade so wie Sebastian Coe. Und vielleicht hätte Ingmar de Vos sogar bessere Chancen, wenn er auf der IOC-Ebene nicht zu allem immer nur „Ja!“ und „Amen!“ sagen würde, was man ihm dort als notwendige Modernisierung des Pferdesports anrät und abverlangt. Ich erinnere nur an die vermurksten neuen olympischen Regeln.
Nein, wer auf der internationalen Bühne des Weltsports etwas werden will, der muss Flagge zeigen, auch mal mit kritischen Anmerkungen gegen den Strom schwimmen, muss seine Sportart mit Selbstbewusstsein vertreten und beweisen, dass er sportpolitischen denken und handeln kann. Und das nicht nur zum eigenen Vorteil.
Übrigens, wir deutsche Reitersleute sollten nicht vergessen haben, dass unser langjähriger FN-Präsident Dieter Graf Landsberg in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ganz nahe daran war, neuer FEI-Präsident zu werden. Daraus wurde seinerzeit leider nichts, weil der aus diesem Amt scheidende Prinz Philipp von Edinburgh mit starker Geste seine Tochter Prinzessin Anne ins Spiel brachte. Sie kandidierte und gewann die Wahl ganz locker.
Schließlich noch dies: Unser FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach, sollte er es denn tatsächlich wollen, müsste die kommenden Jahre dazu nutzen, sich auf der Ebene der FEI bekannt(er) zu machen, also sich zu profilieren. Aber leicht würde das für ihn nicht werden, wenn man bedenkt, dass in der FEI Länder die Mehrheit haben, in denen der Reitsport so gut wie gar keine Rolle spielt. Und ob es möglich wäre, dass sich international renommierte Spitzenreiter öffentlich zu Wort melden, wenn die Nachfolge von Ingmar de Vos ansteht – wer mag das voraussehen? Große Hoffnung hab‘ ich da nicht. Gerade in den vergangenen Monaten hört man es im Gespräch mit Topreitern, ehemaligen wie aktuellen, immer wieder: Was nützen uns alle Ideen und alle Forderungen – an der Spitze der FEI machen sie doch immer wieder, was sie wollen. Wir Aktive werden ein ums andere Mal übergangen.
Also meine Meinung ist: Sebastian Coe for President!