Christian Lindner, der FDP-Chef und Finanzminister, hat sich an diesem Sonntag in der Aachener Soers als Fan von Isabell Werth geoutet. Als die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt sich anschickte, mit der zehnjährigen dänischen Stute Wendy eine historische Marke zu setzen, stand Lindner auf der kleinen Stehtribüne, die man in unserer Reitersprache „Kiss and Cry“ nennt. Die Rappstute ging unter Isabell Werth überragend. Ihr Sieg war hochverdient. Die 6000 Zuschauer sprangen am Ende von ihren Sitzen auf: 89,095 Prozent. Damit hat Isabell der Konkurrenz ihre Anwartschaft auf eine Einzelmedaille bei Olympia angemeldet.

Monica Theodorescu sagte unmittelbar nach diesem Ritt: „Wir haben die ersten drei Plätze. Das ist großartig! Von der Form, in der Isabell diese Stute vorgestellt hat, bin ich nicht überrascht. Ich hab‘ ja diese Entwicklung in den letzten Wochen fast täglich beobachtet. Isabell verfügt, wie wir wissen, über enorme Erfahrung, Empathie für ihre Pferde und den Kampfgeist, um alles aufzubieten, was man für so eine Ausgangslage braucht.“

Die Nominierung für ihre Dressurequipe mochte Monica jetzt, Ortszeit 12 Uhr, noch nicht nennen: „Wir sprechen jetzt zuerst mit den Reitern. Danach wird die Aufstellung bekannt gegeben.“ Isabell Werth sagte in ihren ersten Stellungnahmen: „Ich bin überglücklich. Es ist unglaublich, wie diese Stute sich entwickelt hat, wie sie mitmacht, jederzeit leistungsbereit ist. Ich bin froh, im Team für Paris dabei zu sein. Dort werden wir alles geben, um in die Medaillenränge zu kommen.“

Dabei war sie den Tränen nahe: „Heute war unser Tag. Wendy ging von Tag zu Tag immer besser. Es ist ein Vergnügen für mich, dieses Pferd zu reiten. Ich hatte in meiner Karriere viele Erfolge – aber dieser heute ist sehr, sehr speziell.“ (Es war der 15. Sieg von Isabell in der Großen Tour von Aachen.)

Frederic Wandres stellte seinen Bluetooth stark und schwungvoll vor, ritt präzise und fehlerfrei sein anspruchsvolles Programm. Er bekam am Ende verdiente 83,010 Prozentpunkte und rechtfertigte auf diese Weise seine Nominierung für Paris.

Ingrid Klimke indessen startete ihren Ritt mit einem schweren Patzer, als ihr Franziskus im starken Trab ansprang in den Galopp. Gleichwohl gaben die fünf Richter 81,385 Prozentpunkte für eine insgesamt solide Leistung. Drei deutsche Pferde über der „magischen Marke“ von 80 Prozent – das hatte es zuletzt bei Olympia in Tokio gegeben, als die Mannschaft die Goldmedaille gewann.

Rang vier für die stark reitende Französin Pauline Basquin auf Sertorius. 81,120 Prozent. Fünfter wurde der in Deutschland lebende und arbeitende Schwede Patrick Kittel mit Jovian, 79, 840 Prozent.

Isabell bekam für ihren Sieg 43 000 Euro, Frederic erhielt 26 000 Euro. Ingrid 20 000 Euro. An die Französin gehen 13 000 Euro, an Patrick Kittel 7000 Euro.

Morgen, so hört man im Umfeld der Mannschaft, geht’s für die Olympiareiter zum Einkleiden. Ende des Monats reist die deutsche Dressurmannschaft zum Trainingslager nach Frankreich. Alles weitere findet sich. Ich schreib‘ mal so: Die Aachener Tage haben die deutschen Topreiter gepuscht wie lange nicht. Die Hoffnung steigt, bei Olympia eine gute Figur abzugeben. Hoffentlich bleiben alle Pferde fit und gesund.