In meiner Vorschau auf das Weltcupturnier von Bordeaux und den Auftritt des Cadre Noir am Wochenende tauchen zwei Namen auf, die nur passionierten Pferdeleuten aus der Generation 60-plus etwas sagen dürften. Deshalb erfülle ich gerne einige Wünsche aus meiner interessierten Leserschaft nach Aufklärung und näherer Information: Wer waren eigentlich Francois Baucher und Francois de la Gueriniere? Selbst wenn Sie auf Kriegsfuß stehen sollten mit der Hippologie, also der Wissenschaft vom Pferd, scheuen Sie das Lesen nicht. Die Geschichte dieser beiden Männer ist spannender als Sie vielleicht denken!

„Francois Robichon de la Gueriniere, geboren 1688, gestorben 1751, war Oberstallmeister König Ludwigs XV. von Frankreich. Er reformierte die Lehren der alten Reitkunst, gelehrt von Pluvinel und dem Herzog von Newcastle. Sein größtes Verdienst ist die Entwicklung des modernen Reitsitzes, indem er den bis dahin üblichen Spaltsitz mit geraden Schenkeln verwarf und dafür den heute noch gültigen Sitz auf den beiden Gesäßknochen und dem Schambein einführte.

Gueriniere stellte als erster ein wohldurchdachtes, auf wissenschaftlicher Grundlage fußendes System der Reitkunst auf, das noch heute die Basis der Dressurreiterei darstellt. Da er großen Wert auf die Schulterfreiheit legte, erweiterte er die vom Herzog von Newcastle gelehrte Lektion „Kopf in die Volte“ zum „Schulter herein“. Er entwickelte den Galopp sehr spät, seine Hauptarbeit führte er im Trab auf Kandare aus. Er nahm seine Pferde übrigens erst im Alter von sieben Jahren in Arbeit. Außerdem war er ein Gegner des Rennsports.

Unter anderem vereinfachte Guerniniere die Kandarengebisse, außerdem war er der erste, der die verschiedenen Gangarten des Pferdes richtig beschrieben hat. Großen Einfluss hatte er auf die Entwicklung der gesamten Schul- und Dressurreiterei. Deutlich erkennbar ist sein System der Reitkunst noch heute an der Reiterei der Spanischen Hofreitschule in Wien. Guerninieres Hauptwerk ist „L’Ecole de Cavalerie“ von 1733. (Wer sich dafür interessiert, engagiert sucht, allerhand Glück hat und dazu bereit ist, einiges Geld auf den Tisch zu legen, der findet im internationalen Antiquariatsbuchhandel eine Ausgabe. www.zvab.de)

Jetzt zu Francois Baucher, geboren 1796, gestorben 1873. Er war ein französischer Reitmeister. Nach vielen Jahren des Studiums an verschiedenen Reitschulen etablierte er seine eigenen Institute in Le Havre und Rouen, die er, zwischen beiden reisend, gleichzeitig betrieb. Später tat er sich zusammen mit Jules Pellier und führte mit ihm ein Reitinstitut in Paris. Mit im zusammen veröffentlichte er seine „Dialogues sur Equitation“. Zehn Jahre lang arbeitete er mit Pferden für den Zirkus auf den Champs-Elysees in Paris. Nach 1849 bildete er Kavallerieoffiziere aus, darunter den späteren General L’Hotte, der starken Einfluss hatte auf die Militärreiterei in Frankreich. Seine Ansichten sind heute umstritten.

Unter den Werken, die Baucher über die Reiterei publiziert hat, werden folgende als wichtig genannt: „Dictionnaire raisonne d’Equitation“ von 1833 sowie „Methode d’Equitation basee sur de nouveaux principes“ von 1842.“ (Über zvab.de heute aktuell findet sich einiges von Baucher, auch in deutscher Übersetzung. Wer zuerst kommt… )

Der Text bis hierhin stammt aus dem 1976 erschienenen „Großes Reiter- und Pferdelexikon“ von Jasper Nissen. Die jetzt folgende kritische Anmerkung entnehme ich dem Buch „Meister der Reitkunst und ihre Wege“ von Waldemar Seunig, erschienen 1960. (Sehr zur Lektüre empfohlen!)

Seunig schreibt: „Dass seit 1830 im Heimatland Guerniniers immer wieder der Versuch gemacht wurde, sich in der Reiterei über Naturgegebenheiten hinwegzusetzen, nimmt nur den flüchtigen Beobachter wunder. Das Studium der Geschichte der französischen Reitkunst dieser Epoche gibt die Erklärung. Dem Auftreten des Neuerers Francois Baucher, dieses „schweifenden Genius“, war durch die Auflösung der Schule von Versailles und die sich oft krass entgegenstehenden Doktrinen innerhalb des Kaders der Saumurer Ecyers (Cadre Noir) der Weg bereitet. Es fehlte an Kompetenzen – Halblaien, mitnichten der Erfindung des „Reitpulvers“ verdächtig, führten das große Wort. Sie sichten nach einem System, das die ganze Dressur nett und glatt auf ein Butterbrot streicht.“

Ich hoffe, mit diesem Blog hier und heute einige Anregungen gegeben zu haben. Sollte ich Quellen und Zugänge finden, über die es möglich ist, die erwähnten Schriften und Bücher zu erwerben, weise ich gerne darauf hin. Wie auch immer: Ein Blick in die Historie kann nie schaden! Vielleicht ist ja es auch möglich, die Vorführungen des Cadre Noir beim Turnier in Bordeaux via Clip my horse zu verfolgen.