Fünf Tage noch, dann geht’s los. Im dänischen Herning beginnen am kommenden Samstag die Weltmeisterschaften in Dressur und Springen, Voltigieren und der Para-Dressur. Zur Einstimmung und zur Orientierung starte ich hier und heute mit einer Serie von Blogs, in denen ich die spannende Vorgeschichte der Weltmeisterschaften schildern werde, meine persönlichen Eindrücke sowie die aktuelle Ausgangslage – salopp gesagt geht’s um die Papierform. Jede und jeder weiß, dass die Vorfreude die schönste Freude ist. Fachsimpeln und etwas Reiterlatein im Reiterstübchen – was gibt es schöneres!

Rückblende in das Jahr 1966. In der Schweizer Bundeshauptstadt Bern veranstaltet die FEI, also der Weltverband, die erste WM der Dressurreiter. Josef Neckermann (1912 – 1992), der bundesweit bekannte „Kaufhauskönig“ („Neckermann macht’s möglich!“) gewinnt auf seinem stattlichen und ausdrucksstarken Schimmel Mariano den ersten Einzeltitel. Auch das deutsche Team mit Neckermann, Klimke und Bold holt WM-Gold. Es ist der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Zehnmal Einzel- und zwölfmal Teamgold haben deutsche Dressurdamen und -herren bis heute gewonnen.

Bei der WM 1974 in Kopenhagen holt sich der Münsteraner Reiner Klimke (1936 – 1999) auf Mehmed  seinen ersten WM-Titel. Mit Liselott Linsenhoff und Karin Schlüter gibt’s auch das Team-Gold. 1982 in Lausanne siegt wieder Reiner Klimke, diesmal auf Ahlerich. Das Team Klimke, Gabi Grillo und Uwe Schulten-Baumer holen Mannschafts-Gold. Für Klimke und seinen Ahlerich, das weltbeste Dressurpferd jener Jahre, ist es der Auftakt zu einer Weltkarriere: Sie gipfelt 1984 mit dem olympischen Gold bei den Spielen in Los Angeles.

Die ersten Weltreiterspiele 1990 in Stockholm markieren den Aufgalopp in eine neue Zeit. Alle vier Jahre, genau zwischen den Olympischen Spielen, sollen die Weltspiele der Reiter alle olympischen und nichtolympischen Spiele an einem Austragungsort erleben. Auf dem Dressurviereck brilliert Nicole Uphoff mit dem von Harry Boldt ausgebildeten Rembrandt, den Nicole nur „Remmi“ nennt. Die deutschen Teams sind auf Gold abonniert. 1994 gewinnt Isabell Werth ihren ersten WM-Titel, 1998 in Rom verteidigt sie ihn mit Erfolg. 2002 im spanischen Jerez gewinnt Nadine Capellmann aus Aachen auf ihrem Fuchs Farbenfroh das WM-Gold – der größte Erfolg ihrer Karriere im Sattel.

2006 erlebt die Aachener Soers die Weltreiterspiele: Isabell Werth holt auf Satchmo vor 40 000 Zuschauern ihren dritten Einzeltitel, die neu eingeführte Kür-WM gewinnt Anky van Grunsven auf Bonfire. 2010 in Lexington/USA beherrscht Edward Gal auf Totilas das Viereck nach Belieben – dreimal Gold gehen in die Niederlande. 2014 in Caen/Normandie gewinnt die Britin Charlotte Dujardin auf Valegro beide Einzeltitel, Teamgold geht an Werth, Langehanenberg, Sprehe und Lütkemeier. 2018 in Tryon siegt das Team Werth, Rothenberger, Schmidt und von Bredow-Werndl, Isabell Werth holt sich den Titel in der klassischen Tour. Die Kür wird abgesagt, weil ein Orkan droht und das Programm umgestellt wird.

Und heute? Die letzte Niederlage „unseres“ deutschen Quartetts liegt also zwölf Jahre zurück – es war damals in Kentucky. Einiges deutet darauf hin, dass die deutschen Seriensieger auch 2022 leer ausgehen könnten, was das Teamgold angeht. Cathrine Dufour und ihr „danish dynamite“ sind favorisiert. Eine Teammedaille sollte es für Isabell Werth & Co. wohl geben. Damit wäre der Startplatz für Paris 2024 gesichert. Frederic Wandres aus dem Stall Kasselmann ist für Einzelmedaillen im Spezial und in der Kür gut. Womöglich muss Isabell Werth zum ersten Male in ihrer langen Karriere von einer WM ohne Einzelmedaille heimfahren.

Mehr Infos unter www.herning2022.com