Seit dem Jahr 1912, als die olympischen Spiele in Stockholm stattfanden, zählt das Reiten zum Programm.

Bis heute finden sich fünf deutsche Olympiasieger im Springreiten in den Annalen: Kurt Hasse auf Tora 1936 in Berlin, Hans Günter Winkler auf Halla 1956 in Stockholm, Alwin Schockemöhle auf Warwick Rex 1977 in Bromont/Kanada, Ludger Beerbaum auf Classic Touch 1992 in Barcelona und Ulrich Kirchhoff auf Jus de Pommes 1996 in Atlanta. Dazu kommen die Silbermedaille von Hermann Schridde auf Dozent 1964 in Tokio sowie dreimal Bronze: Fritz Thiedemann auf Meteor 1952 in Helsinki, Karsten Huck auf Nepomuk 1988 Seoul und Marco Kutscher auf Montender 2004 in Athen.

Doch der Traum aller deutschen Pferdefans, dass nämlich Otto Beckers Trio mit Daniel Deusser, Christian Kukuk und Andre Thieme 2021 in Tokio diese Geschichte fortschreiben würden im Parcours – dieser Traum ist leider zerplatzt. Zunächst jedenfalls. Stattdessen hat der seit Wochen schon international hoch gehandelte Topfavorit Ben Maher auf dem 13-jährigen Explosion von Chacco Blue und Baloubet du Rouet die Goldmedaille gewonnen – hochverdient! Er zeigt im Stechen perfekte Reitkunst. Ein großer Champion! 2016 in Rio siegte Nick Skelton auf Big Star, heute in Tokio Ben Maher. Die Briten muss man wohl als Favoriten auf das Teamgold betrachten.

Dabei sah es im Verlauf der Konkurrenz fast so aus, als gäbe es im Stechen so etwas wie eine „schwedische Meisterschaft mit Gästen“. Alle drei Schweden in der Entscheidung – ein deutlicher Fingerzeig auf den Nationenpreis! Der sympathische Peter Fredricson mit seinem All In, vor fünf Jahren in Rio auf dem Silberrang, gestern erkämpfte sich dieser blendende Stilist wieder die Silbermedaille. Wenn die TV-Bilder nicht täuschen, dann war Fredricson zunächst etwas unglücklich – verständlich, wenn man das große Ziel vor Augen hat und so knapp verfehlt.

Maikel van der Vleuten mit seinem Beauville Z erritt sich Bronze, versöhnte seine pferdeverrückten Landsleute daheim mit der ersten Medaille für die niederländischen Reiter bei diesen Spielen! Im Busch und in der Dressur sind sie leer ausgegangen.

Henrik von Eckermann mit King Edward folgt auf dem undankbaren Rang vier, dann Malin Baryard-Johnson auf Indiana, schließlich der Japaner Daisuke Fukushima auf Chanyon, ebenfalls von Chacco Blue wie der Sieger. Kompliment an Paul Schockemöhle, der drei Japaner ins Finale brachte; Koki Saito mit Chilesnky wurde 13., Eiken Sato mit Saphyr 25. Mal schauen, was Pauls Trio am Freitag und Samstag zu leisten vermag. Im Mannschaftsspringen, das am Freitag mit der Qualifikation beginnt, werden die Karten neu gemischt. Aber der psychologische Vorteil liegt klar bei denen, die heute glänzen konnten.

Der spanische Parcoursdesigner Santiago Varela bekam zu recht viel Lob von allen Seiten für seine beiden Kurse und die heitere japanische Folklore bei der Gestaltung der Hindernisse. Mit einem Sumo-Ringer aus Holz, der manches Pferd zum Stutzen brachte, hatte natürlich keiner gerechnet.

Daniel Deusser musste heute im Einzelfinale auf Killer Queen leider zwei Abwürfe hinnehmen. Heute sagte er:

„Wir werden uns morgen gut vorbereiten und wieder kämpfen. Im Nationenpreis kommen in vielen Teams einige Reiter zum Einsatz, die noch gar nicht geritten haben. Wir haben durchaus die Chance, eine Medaille zu gewinnen. Und das muss unser Ziel bleiben.“

Nach dem Eindruck im ersten Springen am Dienstag wird wohl Andre Thieme von nun an zuschauen müssen, nachdem Daniel Deusser und Maurice Tebbel als gesetzt zu betrachten sind. Christian Kukuk hinterließ bei seinem Ritt am Dienstag einen besseren Eindruck. Thieme äußerte sich gestern selbstkritisch: „Der Fehler an der Tiplebarre geht auf meine Kappe! Ich bin leider etwas hektisch geworden.“ Danach haderte er mit den langen Tagen des Wartens, bis die Reitwettbewerbe endlich begannen: „Mir war es die ganze Zeit tödlich langweilig.“

Bundestrainer Otto Becker gestern nach der Entscheidung: „Wir hatten uns für die Einzelkonkurrenz natürlich mehr erhofft. Aber wir haben zwei Neulinge im Team, die noch nicht so erfahren sind. Morgen, am Donnerstag, gibt’s den Vet-Check. Danach werden wir überlegen und entscheiden, wer am Freitag die Qualifikation zum Nationenpreis reitet.“ Die Fans daheim bleiben zuversichtlich. Erst wenn das letzte Pferd über die Ziellinie galoppiert ist, ist der Kampf um die Medaillen entschieden.