Deutsche starten so schlecht wie noch nie in einen olympischen Nationenpreis

Die Equipe von Bundestrainer Kurt Gravemeier besitzt keine Medaillenchance mehr. Nur mit Ach und Krach hat sie den Einzug in das heutige Finale geschafft. Auf Medaillenkurs liegen die Schweizer, die Amerikaner und die Schweden.

Vier Jahre nach der aberkannten Goldmedaille von Athen wollten es die Springreiter ihren Kollegen von der Vielseitigkeit gleichtun: Souverän agieren, womöglich Gold holen – und es nicht mehr wegen haarsträubender Dinge wieder verlieren. „Wir gehören zum Kreis der Favoriten“, hatte Ludger Beerbaum vor dem Wettbewerb der 77 Reiter aus 29 Nationen gesagt.

Doch dann ging fast alles daneben: Christian Ahlmann und sein Cöster kamen mit acht Strafpunkten ins Ziel, Marco Kutscher und sein Cornet Obolensky sogar mit 13. Ahlmann redete nicht drum herum: „Zwei Abwürfe sind zu viel, damit kann ich nicht zufrieden sein.“ Marco Kutscher, der Bronzemedaillengewinner von Athen, erklärte:

„Das war von mir eine absolut schlechte Runde, das hatte ich mir völlig anders vorgestellt.“

Auch Meredith Michaels-Beerbaum, als Favoritin auf das Einzelgold nach Hongkong gekommen, konnte die bitter notwendige „Nullrunde“ mit Shutterfly nicht liefern: „Der eine Abwurf geht auf mein Konto, ansonsten war ich mit meinem Parcours zufrieden. Als Mannschaft haben wir enttäuscht. Jetzt müssen wir kämpfen, dürfen den Kopf nicht hängen lassen.“

Bei seinen sechsten Olympischen Spielen vermochte selbst Ludger Beerbaum mit dem neunjährigen All Inclusive seine Klasse nicht ausspielen und leistete sich zwei Abwürfe: „Der Parcours war heute sehr technisch, ich bin gespannt, wie die anderen Equipen zurecht kommen. Mein Pferd ist erst neun Jahre alt. Jetzt müssen wir richtig zittern. Die Medaillen sind jedenfalls in weite Ferne gerückt“.

Dann analysierte der 43-Jährige die Situation auf seine Art: „Wir haben hier in Hongkong einen tollen Teamgeist, die Vorbereitung war super gelaufen – vielleicht hat uns ein wenig das Reizklima gefehlt, das den nötigen Kick gibt. Vielleicht waren wir uns ein wenig zu sicher.“ Beerbaum sagte auch:

„Ich habe schon in Aachen vor zu großer Euphorie gewarnt. Im Springreiten ist alles möglich, so oder so.“

Bundestrainer Kurt Gravemeier zeigte sich nach den insgesamt 20 Strafpunkten, die nach der ersten Runde zu Buche standen (Kutschers 13 Zähler waren das Streichresultat) regelrecht geschockt: „Ich kann mir das alles gar nicht erklären. Bei den anderen Teams hat man gesehen, dass auch die viele Fehler gemacht haben.“ Zuletzt hatte eine deutsche Equipe bei den Spielen 1992 in Barcelona einen solchen Einbruch erlebt. Nun müssen Beerbaum, Ahlmann und Kutscher um den Einzug ins Einzelfinale zittern, denn sie liegen auf Platz vierzig und dahinter.

Stark agierten die Teams aus Amerika und der Schweiz, die das Feld anführen, gefolgt von Schweden und Großbritannien. Gemeinsam auf dem achten Platz liegen die Australier und das deutsche Team gemeinsam mit 20 Punkten. Wegen dieser Punktgleichheit werden heute im Finale neun Mannschaften antreten. Im zweiten Umlauf, der heute Abend ansteht und an dem nur die besten acht Teams von gestern teilnehmen dürfen, dazu die besten Einzelreiter, geht es um die Medaillen.

Zugleich ist der zweite Umlauf im Blick auf das Einzelfinale wichtig. Nur die 35 besten Reiter aus dem Auftaktspringen und dem Preis der Nationen dürfen am Donnerstag um die Medaillen reiten. Altmeister John Whitaker aus Großbritannien, einer der Favoriten, konnte wegen seines verletzten Pferdes gar nicht antreten.