Die Britin Charlotte Dujardin verabschiedet ihr Erfolgspferd Valegro mit der Goldmedaille in die Rente – Silber und Bronze gehen an Isabell Werth mit Weihegold und Kristina Bröring-Sprehe auf ihrem Hengst Desperados.
Als der Journalistenpulk auf sie einstürmt, sie mit Fragen förmlich überschüttet, fängt Charlotte Dujardin plötzlich herzzerreißend an zu weinen: „Ich wusste, dass dies heute mein letzter Wettkampf mit Valegro sein würde. Er geht jetzt in Rente. Ich habe ihm so viel zu verdanken: zweimal Gold in London und heute hier in Rio unser zweites Einzelgold. Ich bin so glücklich und dankbar. Er ist ein wunderbares Pferd. Heute ist für mich ein ganz spezieller Tag.“
Immer wieder schluchzt die 29-Jährige hemmungslos, versucht, sich die Tränen aus dem völlig verschwitzten Gesicht zu wischen, der Schweiß rinnt ihr aus dem Reithelm nur so herunter – das Ende einer dreieinhalbstündigen Hitze- und Nervenschlacht im Centro Hipismo. Höhepunkt und Abschluss des olympischen Dressurturniers vor immerhin 5000 Zuschauern in einem Brutofen, in dem die Temperaturen zeitweise über 40 Grad angestiegen sind. Manchen Reitern stand das Wasser in den Stiefeln. Spitzensport unter extremen Bedingungen.
Tränen der Freude und der Genugtuung fließen auch wieder bei Isabell Werth. Die 47-Jährige aus Rheinberg am Niederrhein kehrt mit Mannschaftsgold und der hochverdienten Silbermedaille aus dem gestrigen Kürfinale zu ihren Fans in Deutschland zurück: „Heute war das für mich das Optimum, mehr ging nicht, meine Stute, wie überhaupt alle Pferde, waren mehr oder weniger müde nach den anstrengenden Wettbewerben der vergangenen Woche“, sagte die mit Abstand erfolgreichste Reiterin der olympischen Geschichte nach ihrem Ritt, dem letzten des Tages.
„Ich bin überglücklich, wenn man bedenkt, dass mir vor wenigen Monaten meine Spitzenpferde Bella Rose und Don Johnson ausgefallen sind und ich heute hier zum zweiten Male auf dem Treppchen stehe. Und das mit einer Stute, die erst elf Jahre alt ist. Das ist einfach magisch!“
Die siebenköpfige Jury, darunter der Pfälzer Peter Holler, benotete ihren Ritt mit sehr guten 89,071 Prozentpunkten – Valegro, der Olympiachampion, hatte 93,857 erhalten, die mit Abstand höchste Note des Tages.
Bescheiden strahlende Gewinnerin der Bronzemedaille wurde Kristina Bröring-Sprehe mit ihrem eleganten Rapphengst Desperados: „Ich habe schon auf dem Trainingsplatz gespürt, dass bei meinem Pferd praktisch die Luft raus ist. Die Reise hierher nach Rio, dazu die zwei schweren Wettkämpfe der vergangenen Woche – das geht an keinem Pferd spurlos vorüber.“ Gleichwohl sei sie froh, „dass wir eine fehlerfreie Kür zeigen konnten – ich fahre mit einer Gold- und einer Bronzemedaille nach Hause, was will ich mehr?“ Unterm Strich, nicht zu vergessen: Für Isabell Werth war es der Gewinn ihrer zehnten olympischen Medaille seit 1992!
Sachlich und nüchtern analysierte hingegen Dorothee Schneider ihren Ritt auf dem erst zehnjährigen Showtime: „Das waren heute drei Patzer, leider zu viele, um die erhoffte Medaille schaffen zu können.“ Auch ihr Pferd habe den Anstrengungen des olympischen Turniers Tribut zollen müssen. Und in der Tat: Die einmalige Chance, die sich den drei deutschen Damen bot, nämlich die hohe Favoritin aus der Nähe von London in der Kür in die Zange zu nehmen, unter Druck zu setzen, sie womöglich in die Knie zu zwingen – das glückte gestern nicht. Der 14-jährige Valegro tritt von der großen Bühne ab, zuletzt geschlagen von Isabell Werth in der Teamkonkurrenz von Rio.
Monica Theodorescu indessen steht nicht gerne im Rampenlicht. Die öffentlichen Emotionen vor Kameras und Mikrofonen überlässt die Bundestrainerin der Dressurreiter liebend gerne dem Showtalent einer Isabell Werth, die den Sport auf den tanzenden Pferden in Frack und Zylinder so lebendig zu verkaufen vermag wie niemand sonst auf der Welt. Die 47-jährige Isabell und die 53-jährige Monica kennen sich seit Jahrzehnten, sind eng befreundet, haben gemeinsam olympisches Dressurgold gewonnen: 1992 in Barcelona und 1996 in Atlanta.
Theodorescu, deren Mutter Inge in erster Ehe mit der soeben neunzig gewordenen Reiterlegende Hans Günter Winkler verheiratet war, stand schon 1988 bei den Spielen von Seoul in der Goldequipe. Ihr Vater George, ein Rumäne, der sich Ende der Fünfziger beim Turnier in Aachen von seiner Mannschaft abgesetzt hatte, um im Westen zu bleiben und hier sein Glück zu machen, gehörte zu Lebzeiten zu den besten Dressurtrainern der Welt.
Gestern, im Centro Hipismo von Rio, erntete Monica Theodorescu, Bundestrainerin seit 2012, den Lohn ihrer unermüdlichen Arbeit auf höchstem Niveau: „Ich bin sehr stolz auf meine Reiter. Wir fahren mit Mannschaftsgold nach Hause, dazu Silber und Bronze in der Kür. Das kann sich doch sehen lassen. Kristina hat heute ihren Desperados clever vorgestellt, Isabell hat großartig geritten – solche Einzelmedaillen, die fliegen einem ja auch nicht gerade einfach so ins Haus! Weihegold und Showtime gehört die Zukunft. Wir haben eine ganze Woche Turnier hinter uns und alles hat gepasst.“
Die Arbeit mit den Pferden geht ohne Pause weiter. Während die in Rio erfolgreichen Pferde jetzt längere Pausen bekommen, wird man Isabell Werth schon in wenigen Wochen Mitte September im Schlosspark von Donaueschingen mit ihren Nachwuchspferden sehen.